
Autor: Jens K. Carl
Illustrator: Jens K. Carl
Altersempfehlung: ab 3 Jahren.
Frank Schumann, den Morgel-Entdecker.
Morgel und die Gemeinschaft am KomstkochsteichEine unerwartete BegegnungEin kalter Frühsommermorgen. Nebelschleier steigen über dem Komstkochsteich auf. Die ersten Sonnenstrahlen bahnen sich ihren Weg durch den dichten Wald und zeichnen drollige Figuren auf das Wasser. Es riecht nach modrigem, nassem Holz. Die Vöglein zwitschern munter durcheinander und die Frösche quaken lauthals um die Wette. Wie aus dem Nichts ist auf einmal Gesang und lustiges Pfeifen zu hören. Es wird immer lauter und lauter. Ein halbwüchsiges Männlein mit kurzer Badehose und spitzem Hut kommt aus dem dichten Wald daher gelaufen. Über seiner Schulter hängt ein großes Badetuch. Wie an jedem Morgen ist es zum Teich unterwegs, um seine Bahnen darin zu ziehen. In seiner Hand hält es ein kurzes Stöckchen. Es ist sein Zauberstab. Immer dann, wenn es barfüßig auf einen trockenen Ast oder einen Baumzapfen tritt, wird sein lustiges Trällern durch ein Grummeln und einem lauten Aua unterbrochen. Das Männlein ist ein Waldkobold und er nennt sich Munk Orgu-Telas. Munk lebt hier schon seit vielen hundert Jahren in der Nähe der Hohen Wurzel. Gut gelaunt am Ufer angekommen, ist jählings ein Stöhnen und Gluckern zu hören. Unterdes taucht auf der anderen Seite des Teiches ein kleines, zierliches Rehkitz auf. Beim Fangenspielen mit einem hübschen, bunten Schmetterling hat es sich hierher verlaufen und seine Mutter aus den Augen verloren. Und wie das eben manchmal so ist, hat das Kitz vor lauter Herumrennen und Herumtollen ganz vergessen, dass es sich eigentlich nicht von ihr entfernen soll. »Was gibt es denn da zu feixen? Der muss aufpassen, dass ich ihm nicht die Ohren langziehe!«, schimpft Munk vor sich hin, während er im Dickicht nach seinem Zauberstab sucht. »Ah! Da ist er ja!« Das kleine Kitz schaut dem Kobold mit seinen großen, braunen Knopfaugen eine Weile nach und wartet ab, bis dieser wieder an ihm vorüber schwimmt und fragt: »Wo sind wir hier?« Nach kurzer Zeit meldet sich das Rehkitz wieder zu Wort: »Also, jetzt sage ich dir mal was. Du brauchst einen lustigeren Namen. Vor allem einen, den auch ich mir merken kann.« »Das will ich aber auch!«, ruft Gunther, ein äußerst schwatzhafter und neugieriger Specht, dazwischen. Er hat seit Längerem das Treiben von einem Ast aus beobachtet. »Wir werden dich alle nur noch Morgel nennen.« |

Freudig tippt er mit seinem Zauberstab auf die Brust und schwuppdiwupp ist der Kobold von oben bis unten in einen grünen Samtanzug gekleidet. An seinen Füßen stecken plötzlich knöcheltiefe, schwarze Stiefel. »Nun, genug des Redens. Ich habe Hunger. Ihr sicher auch. Oder?« »Immer doch!«, rufen beide laut im Chor. »Dann lade ich euch jetzt ein«, freut sich Morgel. Geschwind setzt er noch seinen spitzen Hut auf und legt sich einen Umhang an. »Folgt mir!« »Du siehst wirklich elegant aus«, spricht das Rehkitz und fragt: »Wo soll es denn hingehen?« »Natürlich zur Wurzelhöhle. Dort wohnen wir zusammen mit allerlei anderen Tieren und Pflanzen«, antwortet der Specht, flattert vom Waldboden hoch und setzt sich frech auf den Rücken des Kitzes. »Der Weg dorthin ist viel zu weit für meine kleinen Beine und mit leerem Bauch ist auch das Fliegen viel zu anstrengend für mich.« »Nun übertreibe es mal nicht, Gunther. Wir sind schon da«, mischt sich Morgel ein. »So, hier ist unser Zuhause.« »Was soll hier sein? Ich sehe hier nichts, außer ein paar alte krumme Bäume und Büsche«, stellt das Kitz verwundert fest. Eine zauberhafte WurzelhöhleKaum hat das Rehkitz seinen Satz beendet, brummt, knistert und knarrt es fürchterlich um sie herum. Die umstehenden Bäume und Sträucher richten sich urplötzlich auf. Sie schütteln wild ihr Geäst hin und her, sodass zahlreiche Zapfen hinab hageln und ein wahrer Nadelregen auf die Drei herniedergeht. »Sei bitte still! Die können jedes Wort verstehen«, mahnt der Kobold das Kitz an und streift sich dabei die Nadeln und Zweige vom Umhang. Die drei gehen mit kurzen Schritten langsam auf den kleinen Baumstumpf zu. Mit jedem Tritt, den sie näherkommen, beginnt dieser zu wachsen und wird größer und größer. Als sie direkt vor ihm stehen, ist er so hoch wie ein Haus. Auf einmal sind auch eine Pforte und drei verschieden große Fenster zu sehen. Aus einem kleinen Schornstein steigt bunter Qualm auf. |

Morgel geht voraus, öffnet die Tür und fordert das Kitz in gebeugter Haltung freundlich auf: »Hereinspaziert in unsere gute Stube!«
Vorsichtig schaut das Rehkitz zur Tür hinein und staunt Bauklötzchen: »Boah, ist das eine große Höhle. Das muss sehr wohl Zauberei sein.« Es entdeckt eine lange Tafel mit zwölf Stühlen, einen riesigen Schrank mit Töpfen und Geschirr darin und einen Kamin, in dem ein Feuer leise vor sich hin knistert und für wohlige Wärme sorgt. In der anderen Ecke steigen aus einem Backofen dünne Rauchfahnen hervor. Es duftet appetitlich nach frischem Gebäck. Daneben steht eine große Spüle, in der sich gerade zwei Mäuse ein Bad einlassen. Aus einem eisernen Hahn an der Wand lassen sie glasklares Quellwasser ins Becken tropfen. Die beiden winken dem Rehkitz zu und rufen: »Hallo, wir sind Mio und Pio. Herzlich willkommen, du kleines Rehlein!« »Reden, reden, reden! Macht ihr noch mit? Ich dachte, du wolltest ihm die Höhle zeigen?«, erkundigt sich Gunther und fliegt ungeduldig vor dem Kamin hin und her. »Da drinnen wohnt der alte Adalbert. Komm, los, zeig dich mal!« Vor ihnen liegt ein langer Gang, von dem links und rechts je ein großer Raum abzweigt. Der Linke ist hell erleuchtet. Dort stehen kleine Bäume, Sträucher und Volieren aus Holz drinnen. Es sind auch einige Nischen mit Grünzeug darin, und es duftet nach frischem Gras und Heu. Der rechte Raum ist stockduster und es strömt ein feuchter, modriger Geruch heraus. Am Ende des Ganges sind zwei weitere Türen. An der einen steht auf einem alten verrosteten Schild ›Nur für Kobolde‹. An der anderen Tür ist weder ein Knauf zum Öffnen noch ein Schloss daran. Was sich wohl dahinter verbirgt, fragt sich das Kitz insgeheim. »Schau nur hinein in meine gute Stube«, fordert Morgel das Rehkitz auf. »Hier wohne ich.« »Das ist Banjo, ein Wolfshund«, spricht Morgel mit ruhiger Stimme und zeigt voller Stolz auf das Gemälde. »Er war über viele Jahre ein wirklich guter und treuer Gefährte.« Dann entdeckt das Kitz neben dem Himmelbett eine weitere Tür. »Was ist da dahinter?«, fragt es neugierig nach. Plötzlich erwacht der kleine Hund auf dem Bett. Antony ist ein pfiffiger weißer Terrier, der vor Jahren seinem Herrchen ausbüxte, sich dann im Wald der Gemeinschaft am Komstkochsteich anschloss und seither beim Kobold mit in der Stube wohnen darf. »Wuff! Wuff! Du bist aber ein hübsches Rehlein. Sei willkommen! Mein Name ist Antony vom Leinetal. Und wer bist du?«, fragt der kleine Hund nach und wedelt vor Freude wild mit seiner Rute hin und her. Als die drei im Vorraum ankommen, haben die anderen Bewohner der Wurzelhöhle und weitere Gäste bereits am Tisch Platz genommen und warten sehnsüchtig darauf, mit dem Frühstück beginnen zu können. »Da seid ihr ja endlich. Wir warten bereits auf euch. Komm hierher, Rehkitz, setze dich zu mir«, winkt ein junger Fuchs den Neuankömmling herbei. »Mein Name ist Lothar vom Hocksloch. Los, komm schon her! Ich beiße dich nicht. Wohin auch, so dürr wie du bist. Da musst du wohl noch ein wenig Speck ansetzen, mein Lieber.« »Komm, Rehkitz, ich möchte dir jetzt die anderen Bewohner vorstellen«, spricht Morgel und führt es reihum. »Esmeralda, Gunther, Adalbert sowie Mio und Pio kennst du ja bereits. Hier sitzt unsere schlaue Lava. Sie ist eine eurasische Luchsin. Ich habe die Gute vor zwei Jahren höchstpersönlich mit der Flasche aufgezogen.« Unterdes krabbelt klammheimlich ein Igel durch die Stube. Vollgefressen und müde kommt Stachel, so wird er genannt, von seinem nächtlichen Streifzug zurück. Der ganze Tumult heute Morgen geht dem kleinen Kerl gehörig auf die Nerven. Er murmelt vor sich hin: »Hmm! Immer neue Gesichter, neue Gesichter. Wo das nur hinführen soll, hinführen soll.« »Ich will zuerst … Rupp, Rupp!«, grunzt Ben, ein Frischling, und schubst seinen Bruder Ken zur Seite. |

Plötzlich sind alle Blicke gespannt auf den Waldkobold gerichtet. »Darüber habe ich auch schon nachgedacht«, gibt Morgel zu. »Wartet doch noch mit dem Essen. Ich bitte den Ältestenrat, sich sogleich in meine Koboldstube zurückzuziehen. Wir müssen uns beraten. Kommt mit!«
»Die denken gerade darüber nach, ob du für immer hier im Morgelwald bleiben darfst«, flüstert Gunther dem Kitz ins Ohr. »Wäre das nicht toll?« Die Gemeinschaft wächstAls die Mitglieder des Ältestenrates zurück-kehren, richtet der Dachs das Wort direkt an das Rehkitz: »Wir haben soeben beschlossen, dich zu bitten, deine Mutter Gertrud hierher zu uns in die Wurzelhöhle zu bringen. Wir möchten euch beide fragen, ob ihr gerne hier im Morgelwald …« Die Stunden vergehen und vom Rehkitz und seiner Mutter Gertrud ist weit und breit nichts zu sehen oder zu hören. Langsam fangen alle an, sich Sorgen zu machen. Unruhe kommt auf. Lothar hat es sich unterdes in seinem Bau am Hocksloch bequem gemacht und hält ein Nickerchen. Nach einiger Zeit stolziert ein Grünrock mit Feldstecher, Kamera und Schießgewehr am Eingang Der Jäger ist vollkommen verwirrt, als er den Fuchs und dann auch noch die Luchsin vor dem Hochsitz entdeckt. Im ersten Moment weiß er nicht so recht, welches Tier er zuerst mit seinem Fernglas beobachten soll. In dieser Gegend ist mir bisher noch nie eine solche Wildkatze begegnet, wundert sich der Grünrock. Er hält kurz inne und zückt dann schnell seine Kamera, um wenigstens ein Foto von Lava zu schießen. Gertrud wirkt unterdes verstört und ist von Panik getrieben. Sie rennt zwischen dem Fuchs und der Luchsin hin und her. Dann springt sie mit einem Satz ins Dickicht, um sich zu verstecken. Sie ist völlig abgehetzt und außer Atem. Erst ein Fuchs, der sie warnt und dann noch eine Luchsin, die sich für sie in Gefahr bringt. Sind denn alle verrückt hier, fragt sie sich. Wo ist nur mein kleines Kitz abgeblieben? Hoffentlich ist ihm nichts Schreckliches passiert, geht es ihr durch den Kopf. »Kommen sie mit mir, Frau Gertrud«, flüstert Lava ihr zu. »Ich bringe sie in Sicherheit. Zu Freunden. Ihr Rehkitz ist auch schon dort.« »Wo bringt ihr mich denn hin?«, fragt Gertrud. Auf dem Weg zur Wurzelhöhle begegnen die drei dem umherirrenden Kitz. Die Freude über das Wiedersehen der beiden ist riesig. Als die vier vor der Wurzelhöhle ankommen, ruft Lava dem Morgel schon von Weitem zu: »Wir haben sie! Wir haben sie! Wir haben die Ricke am Hocksloch gefunden und das Kitz haben wir auch unterwegs eingesammelt.« »Lange Rede, kurzer Sinn! Klipp-klapp!«, ruft Esmeralda dazwischen. »Wir möchten euch beide fragen, ob ihr gewillt seid, euch unserer Gemeinschaft anzuschließen. Bei uns findet ihr ein ruhiges und sicheres Plätzchen. Wie ich gehört habe, sucht ihr das doch.« Ende Was die Ricke Gertrud und ihr Rehkitz auf ihrer langen Reise durch das Thüringer Land erlebt haben, was es mit der geheimnisvollen zweiten Tür in der Wurzelhöhle auf sich hat, ob Morgel jemals seinen Wolfshund Banjo wieder trifft und warum Morgel diese Tonscherben sammelt, erfährst Du in einer der nächsten Geschichten, die sicher irgendwann einmal auch für Dich hier erzählt werden. Bleib voller Neugier! |
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Die große Ausnahme!
Ich war gestern auf der Stuttgart Buchmesse als Gast unterwegs. Ich war beeindruckt, von der Fülle an Angeboten. Die Menschenmassen strömten wie Lämmer durch die Reihen. Von Kinderbüchern bis zur Fantasy, über Krimis und Liebesromane war alles vorhanden. Allerdings gab es auch allerlei Klimbim, fast schon wie auf einer Esoterikmesse, zu sehen.
Eines ist mir allerdings besonders aufgefallen, der kleine Stand mit den Morgelgeschichten. Was suchen Thüringer Märchen mitten im Schwabenländle, habe ich mich gefragt. Als ich die Bücher durchblätterte und die liebevollen Schattenrisse entdeckte, war ich hin und weg. Sie unterschieden sich so extrem von den kunterbunten Büchern, die ich zuvor durchblätterte. Die kurzen Testpassagen, die ich in aller Eile anlesen konnte, führten mich sofort in eine zauberhafte Welt, die es ja real, wie mir der Autor, Herr Jens K. Carl, versicherte, im Thüringer Wald, unweit von Waltershausen, geben soll. Eine Welt verschiedenster Tiere und Pflanzen, deren Alltagsleben wir miterleben dürfen. Alle unsterblich vereint um den Waldkobold Morgel und dessen gute Freundin, die Waldfee Regina.
Ich kann diese märchenhaften Kurzgeschichten nur empfehlen. Viel Spaß.
Die Morgelgeschichten von Jens K. Carl sind sogenannte „Moderne Märchen“. Sie spielen in der heutigen Zeit und schaffen einen hervorragenden Wechsel von der realen Gegenwart in die Fantasiewelt. Hauptfiguren sind in diesem ersten Teil ein Kobold, namens Munk Orgu-Telas, und das Rehkitz. Es geht in diesem Märchen um Freundschaft, Zusammenhalt und Selbstlosigkeit innerhalb einer Gemeinschaft aus Pflanzen und Tieren.
Die Morgelgeschichte ist lustig und ernst zugleich. Durch die einfache kindgerechte Sprache lässt die Handlung schnell verinnerlichen. Das Cover wirkt ein wenig düster, dennoch ist der Inhalt herzerfrischend und unterhaltsam.
Man möchte ein Teil der Gemeinschaft sein.
Das Märchen vom Waldkobold Munk Orgu-Telas und dem Rehkitz ist lustig und herzergreifend geschrieben. Die bildhafte Beschreibung des Waldes rund um den Teich und des Inneren der zauberhaften Wurzelhöhle ist bemerkenswert und lässt den Leser in diese wundersame Welt eintauchen. Die Sprache ist kindgerecht und einfach. Ich freue mich schon auf weitere Morgelgeschichten dieses Autors.
Hallo, lieber Herr Carl,
ihre Geschichten sind einfach total Klasse…..so spannend und witzig und auch lehrreich . Ich würde mir sehr wünschen, dass es diese als Buch zu kaufen gibt (oder gibt´s das schon?), denn diese Abenteuer sind auch zum Vorlesen in der Grundschule gut geeignet….
Bravo und weiter so – ich bin ein großer Fan!
Hallo Herr Carl, herzliche Grüsse aus Hermsdorf/Thüringen. Bin durch den Artikel im AA auf Sie und Ihre wunderbaren Geschichten gestoßen. Die schwarz-weissen Bilder dazu – einfach perfekt. Bitte machen Sie weiter so.
Bei der 1. Geschichte bitte ich um eine kleine Korrekturlesung zum Text:
Am täglichen Frühstück…
In grosser Vorfreude auf weitere schöne Geschichten von Ihnen (vielleicht denken Sie über ein Buch nach?)
Sehr geehrter Jens Karsten Carl, ich liebe Tiergeschichten und habe selbst schon viele geschrieben. Für jedes Enkelkind habe ich ein Büchlein geschrieben und alle Geschichten erzählen von Tieren, genau wie bei Ihnen. Es sind schöne Geschichten über den Morgel. Ich kann mich so gut in diese Natur und Tierwelten versetzen. Die letzten zwei Bücher haben mein Mann und ich über einen Eigenverlag bei Amazon veröffentlicht, vielleicht gelingt es ihnen auch. Ich wünsche Ihnen noch viele schöne Ideen und alles Gute.