Morgel und die Abenteuer mit der Huschi-Husch (Teil 8 der Morgelgeschichten)

5
(21)


Bildinhalt: Morgelgeschichte 8 - Morgel und die Abenteuer mit der Huschi-Husch - Das Cover des gleichnahmigen elektronischen Buches - Das Bild zeigt die nostalgische Straßenbahn T1, auch Huschi-Husch gernannt, auf ihrem Weg durch den Morgelwald.

Autor: Jens K. Carl
Illustrator: Jens K. Carl
Altersempfehlung: ab 5 Jahren.

Im Gedenken an:
Bruno Heinz Carl, meinem lieben Vater
(*1929 – †2013).

Morgel und die Abenteuer mit der Huschi-Husch

Brausend und tosend zieht an diesem Herbsttag ein heftiger Sturm über den Morgelwald hinweg. Tiefschwarze Wolken verdunkeln das thüringische Land.
Wie an einem Bindfaden aufgereiht, prasseln Regentropfen auf den Waldboden hernieder. Hier und da wechselt sich der Regen mit faustgroßen Hagelkörnern ab und es scheint so, als würde das Wasser des Komstkochsteiches köcheln.
Laub, Zweige und Äste, sogar ganze Büsche fliegen umher. Die Bäume knarren und krächzen. Ihre Kronen wiegen sich vereint im Rhythmus der Windböen hin und her.
Grelle Blitze erhellen zischend den Nachthimmel und dumpfes Donnergrollen lässt einem das Blut in den Adern gefrieren.

Ob Tier, ob Mensch. Wer kann, hat sich längst in seine Behausung zurückgezogen, um am wohlig warmen Kachelofen und bei einer Tasse duftenden Kräutertee das Ende dieses abscheulichen Unwetters abzuwarten.

Eine waghalsige Fahrt

Aus der Ferne ist zu hören, wie sich eine Huschi-Husch quietschend und jaulend ihren vorbestimmten Weg durch das Tal bahnt. Mit Mühe kämpft das schwere Gefährt gegen die gewaltigen Böen, die ihr entgegenblasen, an. Immer dann, wenn die Metallräder auf den glitschigen, vom Laub bedeckten Schienen durchzudrehen drohen, heulen die Triebwerksmotoren gauksend auf. Es zischt und blitzt, wenn der Stromabnehmer kurzzeitig den Kontakt zur Oberleitung verliert. Die Lichter im Fahrgastraum erlöschen dann hin und wieder, als wollten der Waggon einen Hilferuf aussenden.

Plötzlich ein Knall. Laut wie ein Peitschenschlag. Ein dumpfes Grollen. Metall kreischt und berstet. Dann ist Stille. Mucksmäuschenstille.

Trotz des Unwetters hart Schröder, der Waldkauz, so wie jede Nacht im dichten Geäst Albasols aus und hält Wache über den Morgelwald.
»Hoppla, was war das denn?«, schreckt er laut fragend auf. Das kann mitnichten ein Wetterleuchten oder gar ein Donnerknall gewesen sein, schießt es dem Kauz durch den Kopf. Da muss etwas Schlimmes passiert sein.
Geschwind lässt sich Schröder zur Wurzelhöhle hinabgleiten. Hastig und durchnässt kracht der Vogel blindlings gegen die Tür zur Höhle.

»Wacht auf! Wacht auf! Kuwitt! Kuwitt! Etwas Schlimmes ist passiert. Lasst mich rein!«, schreit er unentwegt. »Macht auf! Lasst mich rein!«
»Was ist das für ein Geschrei?«, fragt Kreuzspinne Esmeralda, die sich gerade an einem seidenen Faden von der Decke abseilt, um ihr geflicktes Spinnennetz in Augenschein nehmen zu können. »Es ist mitten in der Nacht. Du weckst noch all die anderen auf.«
»Habt ihr denn nicht den Knall gehört? Da unten im Tal hat es einen lauten Bums gegeben«, antwortet Schröder.
»Einen Bums? Du hast wohl schlecht geträumt. Das war sicher nur ein Donnergrollen«, winkt Esmeralda ab.

Von dem Gepolter und dem Geschrei sind der kleine Bär Dinco, die Ricke Gertrud und der Welpe Paschinka aus dem Schlaf erwacht. Während der kleine Hund sich ängstlich unterm Bett verkriecht, öffnet Dinco die Tür und lässt Schröder eintreten. »Guten Abend, Herr Waldkauz. Was hat denn gebumst? Hopphopp!«, fragt der kleine Bär.
»Guten Abend, liebe Leute. Ich hoffe, ich habe euch nicht erschreckt. Der Bums hat sich so angehört, als wäre etwas mit der Huschi-Husch passiert«, antwortet Schröder und fügt mit seinen Flügeln gestikulierend hinzu: »Ich sah einen grellen Lichtblitz am Himmel und ich hörte es zischen und kreischen und einen merkwürdigen Bums. Vielleicht braucht man dort unsere Hilfe?«
»Bei diesem Schmuddelwetter?«, murmelt Morgel, der Waldkobold, vor sich hin, als auch er erwacht und aus seiner Kammer heran geschlurft kommt. Er tritt vor die Tür der Wurzelhöhle und rekelt genüsslich alle viere von sich. »Da werden wir ja klatschnass. Bereiten wir diesem Spukwetter doch erst einmal ein Ende.« Er zieht sogleich seinen Zauberstab aus dem Morgenmantel hervor und schickt damit einen Lichtblitz gen Himmel und beschwört: »Donnerschlag und Posaunengeschmetter, aus ist’s mit dem Schmuddelwetter!«

Unversehens hört es auf zu schütten, so, als hätte man die Regenbindfäden mit einer Schere abgetrennt. Nur ein leichter Nieselregen fällt noch vom Himmel. Auch der heftige Wind legt sich sogleich. Die Wolkendecke reißt auf und macht den Weg für das Licht des Mondes und der Sterne frei.
»So ist es besser, mein lieber Schröder. Ich schlage vor, du fliegst nun die Strecke im Tal ab, damit wir wissen, ob wirklich etwas geschehen ist und wie und wo wir helfen können.«

Kaum hatte der Kobold ausgesprochen, fliegt der Waldkauz los. Ein paar kurze Schläge mit seinen breiten Schwingen und schon ist er hinter den Wipfeln der Bäume verschwunden. Im Gleitflug sucht er die nahegelegenen Bahnstrecken und die Landstraße im Tal ab. Trotz Dunkelheit vermag seinem scharfen Blick nichts zu entgehen.

Bildinhalt: Morgelgeschichte 8 - Morgel und die Abenteuer mit der Huschi-Husch - Das Bild zeigt die Huschi-Husch auf ihrem beschwerlichen Weg durch den Morgelwald. Heftige Windböen und peitschender Regen erschweren ihre Fahrt. Plötzlich fährt die Straßenbahn über einen umgestürtzten Baumstamm und entgleist. Der Waldkauz Schröder beobachtet das Unglück.

Ganz in der Nähe der Steilwand sieht Schröder ein Stromkabel blitzend und funkenschlagend auf dem nassen Schotter umherhüpfen. Vorsichtig nähert er sich dem Eisengefährt an. Ihm fällt auf, dass ein umgestürzter Baum quer über den Schienen liegt. Seine Äste haben eine ältliche Huschi-Husch zum Entgleisen gebracht und nun hängt sie halb schräg im Gleisbett. Einige Scheiben der Bahn sind geborsten. Gespenstige Ruhe herrscht darin.

»Es ist wahr! Es ist wahr! Es gab in der Tat ein Unglück mit der Huschi-Husch«, ruft er dem Kobold zu, als Schröder zur Wurzelhöhle zurückkehrt. »Ich habe durch ein zerbrochenes Fenster geschaut. Niemand hat mich entdeckt. Die Leute schlafen. Jedenfalls lagen die alle da so rum. Was können wir nur tun?«
»Alle Menschen haben geschlafen? Oje, das klingt nicht gut. Wo liegt die Huschi-Husch denn genau?«, möchte der Morgel wissen.
»Oberhalb vom Hammerteich, neben der Landstraße«, antwortet Schröder, »gleich bei der Steilwand.«
»Also, nichts wie hin. Dann werden wir zwei uns das mal anschauen«, spricht der Kobold, tippt sich mit dem Zauberstab auf die Brust und schon hat er sein samtenes Koboldkostüm mit Mantel und spitzem Hut übergestreift. Dann setzt er zum Koboldieren an.
»Wir wollen auch mit!«, rufen die Mäuse Mio und Pio dazwischen.
»Du wirst vielleicht Hilfe brauchen«, gibt ihnen Ricke Gertrud recht, »nimm die beiden mit. Vielleicht brauchst Du ja zwei Winzlinge, die in jede Ecke kommen.«
»Oder etwas Großes und Starkes, wie mich. Hopphopp!«, fügt Dinco hinzu und klopft sich mit der Faust auf die Brust. »Brröö! Brröö!«
»Nun, ich bin ein Kobold«, erwidert Morgel, »ich komme überall hin, wenn ich es will. Aber, da Ihr unbedingt wollt, dann kommt eben alle mit. Stellt euch bitte im Kreis auf und schließt eure Augen.« Er zieht sein Zauberstab aus dem Umhang und sagt einen Zauberspruch auf: »Pusteblume und Rübezahl, lasst uns reisen zum Bahnunfall!«

Eine verblüffende Rettungsaktion

Wenige Augenblicke später stehen die sechs direkt vor ebendiesem Straßenbahnwagen. Morgel wirft sofort einen prüfenden Blick unter das Eisengefährt und seufzt: »Verflixt und zugenäht! Eyers-maners-duers, noch einmal! So ein Schlamassel, aber auch!«
War doch ein dicker, fetter Ast einer nahegelegenen Birke während des Sturmes abgebrochen und auf das Gleis gefallen, muss er feststellen. Der Ast hat auch die Oberleitung durchtrennt und nun flattert das Kabel wild zischend und Funken versprühend auf dem klatschnassen Schotter hin und her. Es knallt so laut, als würde eine Peitsche geschwungen werden.

»Das also ist eine Huschi-Husch!«, ist Gertrud erstaunt. Die Ricke kann mit ihren glatten Hufen auf dem Schotter kaum Halt finden und hüpft daher gekonnt hin und her. »Haltet euch fest, meine Kleinen, sonst fallt ihr noch herunter«, ruft sie den beiden Mäusen zu, die sich oben auf ihrem Kopf an den Ohren festklammern.
»Genau! Die Menschen sagen dazu auch Waldbahn, besser gesagt, Thüringerwaldbahn oder Bimmelbahn«, antwortet Schröder. »Wir nennen das Eisengefährt Huschi-Husch, weil sie immer so gemächlich durch den Wald huscht.«
»Und was macht so eine Huschi-Husch?«, fragen Mio und Pio im Chor.
»Die bringt allerhand Sachen, Menschen und Tiere von da, nach da«, antwortet Morgel und zeigt erst in die eine Richtung am Gleis entlang und dann in die andere Richtung. »Aber nun müssen wir als Erstes dieses tänzelnde Stromkabel einfangen und ruhig stellen, sonst bekommen wir womöglich noch einen Stromschlag. Danach hebe ich die Bahn an und Dinco zieht den schweren Ast hervor. So sollte es funktionieren.«
»Verstanden! Hopphopp!«, signalisiert der kleine Bär. »Also! Los gehts.«

Der Kobold zeichnet mit dem Zauberstab kleine Kreise in die Luft und ruft: »Athelas und Eiterwunden, Getrenntes ist alsbald verbunden!« Plötzlich halten die beiden Drahtseilenden inne, so als würden sie ihn anschauen. Dann schweben sie aufeinander zu. Ein lautes Fauchen ist zu hören und schon hängt das Kabel wieder straff gespannt zwischen den Oberleitungsmasten.

»Bullenkraft und Erdenbeben, Gestürztes mag sich nun erheben!«, beschwört er hinter-drein und alsbald streckt sich das Eisengefährt knarrend und krächzend aus seiner Schieflage empor. Die Bahn ist plötzlich in grün leuchtendes Licht gehüllt. Wie von Zauberhand getragen, richtet sich der Waggon allmählich auf. Dinco zieht blitzschnell den fetten Ast hervor und wirft ihn beiseite. Zu guter Letzt setzt sich die Bahn sanft zurück auf das Gleis.

»Geschafft! Das war es schon. Fertig«, freut sich der Kobold und klopft Dinco vor Stolz auf die Schulter. »Jetzt kann die Huschi-Husch weiter huschen.«
»Lass uns doch auch einmal ein wenig umherhuschen. Hopphopp!«, wünscht sich der kleine Bär. »Ich bin noch nie gehuscht.«
»Wir auch noch nicht«, rufen die Mäuse Mio und Pio dazwischen.

Mit einem Mal sucht sich der Stromabnehmer ganz von allein den Kontakt zur Oberleitung. Es zischt und knistert. Erst leuchtet der Scheinwerfer mehrfach kurz auf, als würde er dem Morgel zuzwinkern, dann abwechselnd die seitlichen Blinker und zu guter Letzt erhellen nach und nach die Lampen im Inneren des Waggons. Der Elektromotor heult auf. Die Huschi-Husch schüttelt sich, reckt sich und stößt einen lauten Seufzer aus: »Aaaahhhhhh, tut das gut!«

»Was war das? Hopphopp!«, fragt Dinco verblüfft die Umstehenden.
»Das war ich, mein lieber Lebensretter«, antwortet die Bahn. »Oooohhhh! … Ich dachte schon, mein Fahrgestell ist ramponiert oder gar gebrochen. Aber es ist noch alles Heile. Wie hübsch ich auf einmal leuchte. So schön grün.«
»Das Eisending kann ja sprechen. Hopphopp!«, ist der Bär verwundert.
»Warum soll ich nicht sprechen können?«, erwidert die Huschi-Husch. »Ihr sprecht doch auch. … Wie kann ich euch danken, meine lieben Lebensretter?«
»Die könnte uns mal mitfahren lassen«, flüstert Mio Pio ins Ohr.
»Ich habe ein sensibles Gehör, ihr zwei Winzlinge. Gerne dürft ihr mit mir fahren«, ist die Bahn einverstanden. »Das ist das Mindeste, was ich für euch tun kann.«
»Schön, dass du keinen Schaden davongetragen hast, werte Huschi-Husch«, freut sich der Kobold. »Als Nächstes müssen wir uns erst noch um die Leute in dir drinnen kümmern.«
»Hmm! Na klar doch«, antwortet die Bahn. »Heute Abend, auf meiner letzten Fahrt, ist kein Fahrgast zugestiegen. … Aber da sind noch Herr Müller, der Fahrer, und die Schaffnerin, Frau Meyer. Ach, und seit Kurzem ist da noch ein kleines Kerlchen, welches immer fix umher hastet, um sich dann wieder hinter der Wandverkleidung zu verstecken.«
»Ich sehe niemanden. Hopphopp!«, bemerkt Dinco, der flugs zur Tür hineinklettert. »Ist da wer?«
»Ich bin hier. Sie meint wohl mich kleinen Kerl. Mir geht es gut. Nur ein paar Prellungen und Kratzer habe ich davongetragen«, ist eine piepsige, zittrige Stimme mit einem französisch klingenden Akzent aus der dunklen Ecke zu hören.

Ein puscheliges Meerschweinchen tritt aufrecht gehend unter der Holzsitzbank hervor. Es ist schwarz und weiß gefleckt, so, als hätte es einen eleganten Frack an. In der Hand hält es einen passenden Gehstock und auf dem Kopf thront ein Zylinder.

»Bonsoir. Gaston ist mein Name. Mes amies!«
»Ich verstehe kein Wort. Hopphopp!«, ist Dinco verwirrt.
»Oje, mein Lieber«, klärt ihn das Meerschweinchen auf. »Das heißt: Guten Abend, meine Freunde.«
»Sei gegrüßt, Gaston! Du musst keine Angst haben vor uns. Mein Name ist Munk Orgu-Telas, aber alle hier nennen mich Morgel. Das ist Dinco, unser kleiner Bär, dort oben auf der Bank sitzt Herr Schröder und hier sind die Ricke Gertrud und die beiden Mäuse Mio und Pio. Wie kommst du in diese Waldbahn?«
»Mon dieu! Das ist schnell erzählt«, antwortet Gaston, der allmählich Zutrauen gewinnt. »Vor langer, langer Zeit reiste mein Frauchen von Paris hierher ins Thüringer Land. Sie nahm mich überall mit hin und versteckte mich in ihrer großen Handtasche. Doch eines Tages fiel ich aus der Tasche und mein Frauchen stieg, ohne es zu bemerken, aus der Bahn. Weg war sie. Seither lebe ich hier in diesem Verschlag hinter der Heizung und reise tagein, tagaus hin und her, immer in der Hoffnung, sie kehrt zurück.«
»Wie lange ist das her? Und du bist nicht verhungert hier drinnen?«, fragt Dinco magenknurrend nach. »Ich wäre es bestimmt.«
»Oh non! Mon appétit! Nein, nein!«, begegnet Gaston. »Die Leutchen lassen so viel Essen fallen, das könnt ihr euch kaum vorstellen. Pommes frites, Eiscreme, Salatblätter und vieles mehr. Hier ist es für mich wie in einem Schlaraffenland.«

Bildinhalt: Morgelgeschichte 8 - Morgel und die Abenteuer mit der Huschi-Husch - Der Waldkobold Morgel, die Ricke Gertrud, der Bär Dinco, die Mäuse Mio und Pio und der Waldkauz Schröder durchstreifen die verunfallte Bahn. In einer Ecke unter einer Sitzbank treffen sie auf das kleine Meerschweinchen Gaston, welches mit einem Zylinder und einem Gestock bekleidet ist.

»Giraffenland? Was für ein Giraffenland? Hopp-hopp!«, möchte Dinco wissen.
»Dieses Land gibt es gar nicht. Das gibt es nur im Märchen«, winkt Morgel ab. »Komm, los, wir müssen uns um die Verletzten kümmern. Das dort im Führerstand scheint der Fahrer, Herr Müller, zu sein. Er ist bewusstlos und blutet an der Stirn.«
»Und wer ist das hier?«, fragt Gertrud in die Runde.
»Madame la conductrice! Die knipsende Schaffnerin, Frau Meyer«, weiß Gaston zu berichten. »Sie hat sich beim Aufprall den Kopf am Handgriff der Sitzbank gestoßen.«

Plötzlich wird die Frau wach und erschrickt. Der Anblick der Ricke und des Waldkauzes über ihr haben sie gleich wieder in Ohnmacht fallen lassen.

»Was knipst eine knipsende Schaffnerin?«, möchte Gertrud wissen.
»Sie locht die Fahrscheine und kassiert den Fahrpreis«, antwortet Gaston, »ansonsten darf man hier nämlich nicht mitfahren. Schau hier, da ist ihre Geldbörse. Ganz schön schwer. In das Röhrchen steckt sie immer das Klimpergeld und da unten kommt es dann wieder heraus.«
»Wir wollen auch so ein Loch in den Fahrschein«, rufen Mio und Pio im Chor, »und wir wollen auch mal mit der Huschi-Husch umherhuschen.«
»Och ja, da wäre ich auch dafür. Hopphopp!«, stimmt Dinco mit ein.
»Ich denke, es ist besser, wenn ich die beiden Leute zuallererst ins Krankenhaus koboldiere«, ist sich Morgel sicher und fordert Dinco auf: »Lass sie uns nebeneinander hinlegen.«

Der Kobold klettert auf die Kranken drauf, drückt die Medizintaste auf seinem Tastending und murmelt leise einen Zauberspruch vor sich hin: »Elchgeweih und Fledermaus, auf geschwind ins Krankenhaus!« Schwuppdiwupp, sind die drei auch schon verschwunden.

»Das ist ja alles Zauberei«, ist Gaston erstaunt.
»Ja, ja! Unser Morgel kann noch viel, viel mehr. Hopphopp!«, gibt Dinco ganz stolz zum Besten.

Ein munterer Ausflug

Erledigt!«, ruft der Kobold, als er Sekunden später wieder in den Waggon zurückkehrt. »Die beiden Leutchen sind nun erstklassig versorgt.«
»Nun lasst uns eine Runde Bahn fahren. Als Belohnung für meine Rettung«, schlägt die Huschi-Husch vor und tönt laut heraus: »Bitte alle einsteigen und die Türen schließen. Vorsicht bei Abfahrt des Zuges!«
»Haltet euch fest«, ruft Gaston den anderen zu, »das kann mächtig holprig werden. Mes amies!«

Flink sucht sich Gertrud einen Sitzplatz auf einer der rechts und links entlanglaufenden Holzsitzbänke. Die beiden Mäuse Mio und Pio nimmt sie schützend an ihre Seite. Dinco schnappt sich eine Lederschlaufe, wie sie alle paar halbe Meter von der Decke herunterhängen. Mit einem eher unsanften Ruck setzt sich die Huschi-Husch in Bewegung. Der Bär verliert plötzlich den Boden unter seinen Hinterpfoten und schwebt längelang im Fahrgastraum. Mit der anderen Pfote sucht er nach Halt und greift, eher aus Versehen, zum Glockenriemen, welcher sich an der Decke durch den Waggon schlängelt. Die Alarmglocke ertönt: Bimm-Bimm-Bimm, macht es in einem fort, Bimm-Bimm-Bimm. Morgel und Schröder beobachten, wie sich die Hebel und Schalter im Führerstand von selbst hin und her bewegen.
»Ich hoffe, du weißt, was du da tust. … Hast du auch einen Namen, liebe Huschi-Husch?«, fragt Morgel.
»Man nennt mich Triebwagen T1«, antwortet die Bahn, »aber dass ihr Huschi-Husch zu mir sagt, finde ich wunderschön. Genau so möchte ich gerne heißen … Huschi-Husch.«
»Dann ist das abgemacht«, spricht der Waldkauz. »Das meinst du doch auch, Morgel. Oder?«
»So soll es sein«, ist der Kobold einverstanden.
»Das ist ja super!«, freut sich die Bahn und legt gleich mal einen leichten Sprint ein. »Juhu! Ab heute Nacht heiße ich Huschi-Husch.«
»Wir wollen es mal nicht übertreiben«, redet Morgel auf die Bahn ein. »Nachher müssen wir dich wieder aus dem Graben heben.«
»Oh, Verzeihung«, entschuldigt sie sich.

»Hier ist so viel Platz drinnen. Was haltet ihr davon, wenn wir unsere Freunde zu dieser Spritztour einladen? Hopphopp!«, fragt Dinco in die Runde.
»Alle?«, ist Schröder erstaunt. »Das wird aber arg eng hier.«
»Eine gute Idee ist es dennoch«, stimmt Morgel zu. »Die hätte glatt von mir sein können.«
»Da sagst du was. Wilma und ihre Frischlinge Ben, Ken und Molli wollen sicher gerne dabei sein, und Keiler Karlo auch«, schlägt Gertrud vor. »Mein liebes Rehkitz, Tammy und Yammy, die Eichhörnchen, Fridolin und Sparky, die Spatzen, dürfen nicht fehlen. Vielleicht kommt sogar der mürrische Molch Adalbert mit.«
»Esmeralda und Lehrer Dachs sollten wir nicht vergessen«, gibt Schröder zu bedenken. »Die Hunde Antony vom Leinetal und Paschinka, Lothar, der Fuchs, und die Luchsin Lava gehören mit dazu.«
»Gustav, die Stockente, und Igel Stachel sind bestimmt auch noch nie Huschi-Husch gefahren«, fügt Pio hinzu und fragt: »Ob Kunigunde mit ihrem riesigen Schneckenhaus überhaupt hier hineinpasst? So wie die im vergangenen Jahr zugenommen hat.«
»Also, dann sei es so«, stimmt Morgel zu. »Ich schlage vor, Schröder macht sich auf den Weg und trommelt schon einmal alle an der Wurzelhöhle zusammen. Von dort koboldiere ich die gesamte Truppe zur nächsten Haltestelle. … Das wird ein Spaß. So viele habe ich noch nie auf einmal koboldiert.«
»Ich bin schon unterwegs«, freut sich der Waldkauz und flattert aufgeregt davon.
»Die werden Augen machen«, flüstert Mio Pio zu.
»Huschi-Husch, halte bitte hier an den Reinhardsbrunner Teichen«, spricht Morgel. »Dort lassen wir alle zusteigen.«
»Wie ihr wollt, mein Lebensretter«, ist die Bahn einverstanden. »Wir sind gleich da.«

Nach einigen Minuten kehrt Schröder zurück. »Alle stehen bereit und freuen sich auf eine Fahrt mit der Huschi-Husch.«

Sofort macht sich Morgel auf zur Wurzelhöhle, um die gesamte Truppe an die Haltestelle zu koboldieren. Auch Flocke, die Posttaube, Frosch Emerald, Clara vom Baldrichstein und ihr Gatte Constantin haben sich schnell noch vor der Höhle eingefunden.

»Seid ihr alle bereit?«, fragt der Kobold in die Runde.
»Jaaa!«, rufen alle voller Vorfreude.
»Dann fasst euch an oder stellt euch ganz dicht beisammen und schon kann es losgehen. Gebt Ruhe und schließt eure Augen.«
Morgel holt seinen Zauberstab aus dem Mantel und spricht: »Abenteuer und Karamelle, auf geschwind zur Teichhaltestelle!«

»Stopp! Stopp! Wartet auf mich«, ruft Gunther, der Specht, noch schnell hinterher. Dessen ungeachtet ist die gesamte Truppe plötzlich spurlos verschwunden. »Das darf doch wohl nicht wahr sein. Machen die sich aus dem Staub, und das ohne mich. Ohne mich geht doch hier gar nichts«, schimpft der kleine Vogel hinterher. »Was hat der Morgel gesagt? Haltestelle? Ja, welche? Mmh … Ich fliege einfach die Bahnstrecke ab, da werde ich sie schon finden.«
Schnell macht sich Gunther auf den Weg. Er gibt alles, was seine kleinen Flügel herzugeben vermögen. »Zum Glück mache ich jeden Tag Kraftsport«, murmelt er vor sich hin. »Denen werde ich zeigen, wer hier flinker ist. Auch ohne Zauberei.«

Kaum, dass Morgel und die Tiere an der Haltestelle angekommen sind, stürmen die Ersten in die Bahn, um einen schönen Fensterplatz zu erhaschen. Ben, Ken und Molli traben vorneweg und sichern für sich und ihre Mutter, die Bache Wilma, einen gemütlichen Sitzplatz. Ebenso machen es Antony und Paschinka. Gertrud und das Rehkitz ziehen es vor, zu stehen. Die vielen Vögel und die beiden Eichhörnchen platzieren sich auf den Handläufen, die sich unterhalb der Decke erstrecken. Mio, Pio und Gaston machen es sich auf dem Fahrpult gemütlich. Lehrer Dachs und Schröder fachsimpeln aufgeregt über die technischen Details dieser alten Straßenbahn. Gustav hat Angst. Er weigert sich, die Bahn zu betreten.

»Los, komm endlich mit«, quakt Emerald zur Stockente. »Sieh nur, ich hüpfe auch hinein. Da passiert nichts.«
»Du hast gut reden«, erwidert Gustav. »Darin werden wir ganz arg durchgeschüttelt. Da werde ich sicher teichkrank.«
»Du hast vielleicht Probleme, du Winzling. Teichkrank? Du meinst wohl, du musst dich übergeben«, mischt sich Kunigunde, die Riesenschnecke, ein. »Ich will hinein in die Huschi-Husch und passe nicht durch die Tür und du passt hinein in die Huschi-Husch, aber willst nicht. Nee, nee, nee! So ein Kuddelmuddel aber auch.«
»Kommt, schiebt alle mit«, ruft Dinco. »Wenn wir zusammen heftig drücken, schlittert unsere Kunigunde schon durch die Tür. Hopphopp!«
»Schiebt, schiebt!«, gibt Karlo, der Keiler, angestrengt Befehl.
»Ich helfe ja schon mit!«, stimmt die Riesenschnecke mit ein. Sie drückt und drückt und sondert dabei derart viel Schneckenschleim ab, sodass er eimerweise zur Tür hinaus plätschert. Vor lauter Drücken entweicht ihr dann auch noch ein gewaltiger Pups.
»Boah, ist das eine Marke!«, duckt sich Dinco weg.
»Also ich find es dufte«, grinst Karlo den Bären an und schnüffelt mit erhobenem Kopf durch die Luft.
Kunigunde rüttelt und schüttelt ihr Schneckenhaus hin und her, plötzlich macht es flupp und das dicke Ding schlittert durch die Tür. »Oje, jetzt ist mein schöner Lack zerkratzt.«
»Hoppla! Obacht!«, warnt Lothar, der Fuchs, die anderen, bevor er längelang dahin brettert. »Boah! Das ist arg glitschig hier. Das gibt blaue Flecke. Mir tut richtig der Po weh«, fügt er noch hinzu und reibt sich die Pobacken.
»Also ich nehme die hintere Tür«, frotzelt Karlo. »Ihr könnt euch hier gerne schleimige Hufe holen.«
»Gebt nun Ruhe!«, bittet Morgel, als sich alle in der Bahn eingefunden haben. »Stellt bitte euer Geschnatter und Gegrunze ein. Haltet euch fest während der Fahrt, macht keinen Dreck oder was kaputt hier drinnen. Es kann losgehen.«
Plötzlich ein heftiger Schlag. Ist Gunther doch mit vollem Karacho gegen die hintere Fensterscheibe geflogen und zu Boden gestürzt.

»Hast du dir etwas gebrochen?«, fragt Morgel, welcher sogleich aus der Bahn hüpft, um Hilfe zu leisten.

Bildinhalt: Morgelgeschichte 8 - Morgel und die Abenteuer mit der Huschi-Husch - Blickt man von aussen auf die Huschi-Husch sieht man den Morgel und die vielen Tiere, wie sie sich einen Platz in der Bahn ergattern.

»Ich glaube nicht«, nuschelt der Specht und biegt mit den Flügeln seinen Schnabel hin und her. »Wie könnt ihr mich nur vergessen?«, fragt er vorwurfsvoll, springt auf und flattert schnurstracks in die Bahn.

»Jetzt dürften wir wohl vollzählig sein«, ist Morgel beruhigt und steigt wieder zu. »Nun kann es aber wirklich losgehen, liebe Huschi-Husch.«
»Na dann wollen wir mal«, murmelt die Bahn vor sich hin und lässt die Glocke erklingen. Bimm-Bimm-Bimm, und gleich noch einmal Bimm-Bimm-Bimm. »Bitte alle einsteigen und die Türen schließen. Vorsicht bei Abfahrt des Zuges!«, ruft sie den anderen zu. Ein Spruch, den sie tagein, tagaus und Fahrt für Fahrt über die vielen Jahre von der Schaffnerin gehört hat. »Das wollte ich schon immer mal sagen«, freut sich die Huschi-Husch insgeheim. »Nächster Halt ist nirgendwo«, fügt sie noch mit freundlichem Singsang hinzu. »Bitte nicht aussteigen oder einsteigen, dies ist eine Sonderfahrt.«

Der Elektromotor heult auf. Die Bahn setzt sich in Bewegung. Das Licht flackert. Mühevoll krächzt das Fahrgestell unter der Last der vielen Fahrgäste. Allmählich kommt das Gefährt auf Touren.

»Das Ruckeln dreht mir den Magen um«, jammert die Stockente. »Ich glaube, ich muss gleich …«
»Nun reiß dich mal zusammen«, rügt Emerald Gustav. »So schlimm wird es schon nicht sein.«
Doch kaum hat er ausgesprochen, bricht es aus der Ente heraus.
»Na schönen Dank auch«, schimpft der Frosch, »und wer macht das wieder weg?«

Kunigunde zwängt sich derweil zwischen den vielen Tieren hindurch, um auch einen Blick aus dem Fenster zu erhaschen. Zum Leidwesen der anderen hinterlässt sie dabei eine dicke zähflüssige Schleimspur auf dem Boden.

»Sieh nur Clara, dort hinter den Bäumen liegt das märchenhafte Schloss, von dem ich dir schon einmal erzählt habe, das, wo die schrullige Elster Gloria I. vom Heßwinkelhof wohnt«, erklärt Constantin seiner Gemahlin. »Es ist das Märchenschloss zu Reinhardsbrunn. Es ist so zauberhaft gelegen. Las es uns demnächst doch mal besuchen.«
»Schöner als unser Schloss Tenneberg?«, fragt Clara nach.
»Mindestens genauso hübsch«, antwortet er.

Mit Karacho legt sich die Bahn in eine Kurve und ruft: »Nächste Haltestelle Reinhardsbrunner Bahnhof. Bitte nicht aussteigen oder einsteigen, dies ist eine Sonderfahrt.« Die Räder kreischen. Blitzschnell huscht sie an dem Wartehäuschen vorüber und auf einen Straßenübergang zu. Bimm-Bimm-Bimm, Bimm-Bimm-Bimm lässt sie die Glocke in einem fort schellen. Nur mit Mühe schafft es ein Trabi, am Bahnübergang zu stoppen.

Morgel sieht zwei Scheinwerfer neben der Bahn aufleuchten. Bremsen quietschen. »Das hätte leicht ins Auge gehen können«, ruft er der Bahn zu.
Unbeirrt setzt diese jedoch ihre Fahrt fort. »Ich muss hier richtig Gas geben, sonst schaffen wir es nicht den Hügel hinauf«, gibt die Bahn zu bedenken. »Außerdem haben wir Vorfahrt, sagt Herr Müller immer.«
»Das mag ja sein, aber erregen wir nicht gigantisches Aufsehen, wenn wir ohne Fahrer und mit hoher Geschwindigkeit durch die Nacht brettern?«, gibt Morgel zu bedenken. »Noch dazu mit einer Ladung Tiere an Bord.«
»Schon möglich«, stimmt die Huschi-Husch zu.

Mit einem Male wird das Gefährt langsam und langsamer. Der Motor heult auf. Nur mit Mühe kommt die Huschi-Husch den kurzen Stich im Park hinauf. Karlo, Lothar, Dinco und der Lehrer Dachs hüpfen hinaus, um von hinten zu schieben.

»Ich bin nicht mehr die Jüngste«, jammert die Bahn. »Da lassen die Kräfte schon mal nach. Meinen Eisenrädern fehlt es an Grip auf den blitzblanken Schienen.«
»Hauruck, Hauruck«, ist vom Ende des Zuges zu hören. »Schiebt!«
»Du bist doch noch fit wie ein Turnschuh. Mon amour!«, beruhigt Gaston die Bahn.
»Genau!«, stimmen Mio und Pio zu. »Schaut nur, da vorne blinken blaue Lichter.«
»Das muss die Polizei sein«, ist Morgel besorgt.

Zügellos und großspurig gibt die Huschi-Husch Gas und nimmt wieder Fahrt auf. Die vier Anschieber schaffen es gerade noch so, zuzusteigen und die Tür hinter sich zu schließen. Mit Vollgas braust die Bahn durch die Haltestelle an dem Polizei-Barkas vorbei. Die Glocke erklingt. Bimm-Bimm-Bimm, Bimm-Bimm-Bimm.

»Ihr kriegt uns niemals!«, ruft sie den beiden Polizisten noch zu und verschwindet dann in der Dunkelheit

der Nacht. »Juhu, ist das ein Abenteuer. Dass ich dies auf meine alten Tage noch erleben darf. Ich bin so glücklich.«
»Glaubst du wirklich, dass die dich hören konnten?«, fragt Mio die Bahn.
»Ach, ist doch egal«, antwortet diese, »wahrscheinlich haben die nur ein lautes Quietschen gehört. Aber wie entgeistert die zwei geguckt haben. Köstlich!«
»Die beiden Polizisten habe ich schon einmal gesehen«, glaubt Lehrer Dachs zu wissen.
»Genau!«, gibt ihm Morgel recht. »Das sind Polizeiobermeister Gerd und Polizeimeister Mani. Seinerzeit Schatzfinder am Komstkochsteich. Kannst du dich erinnern?«
»Sind das nicht die beiden, die mich gefangen nehmen wollten, damals auf dem Kalkberg, als ich verwundet war?«, fragt Dinco, der ehemalige Zirkusbär. »Zum Glück hast du mich vor ihnen gerettet. Hopphopp!«
»Ich war auch dabei«, bemerkt Lothar, »ohne mich hätte es diese Rettungsaktion damals gar nicht gegeben.«
»Klar doch, das habe ich nicht vergessen«, stimmt Dinco zu. »Ihr habt mich beide gerettet und natürlich auch der Tierdoktor, Herr Freund. Hopphopp!«
»Aber was machen wir nur mit den Polizisten?«, fragt der Dachs. »Die werden bestimmt beim nächsten Halt auf uns warten.«

Kaum hat er ausgesprochen, rast der Streifenwagen mit Blaulicht und Martinshorn auf der nahegelegenen Straße an der Bahn vorbei in Richtung Bad Tabarz.

»Nun mal immer mit der Ruhe, meine Freunde. Ich werde mir etwas einfallen lassen«, beschwichtigt Morgel. »Genießt doch erst einmal die Fahrt.«
»Oje, jetzt habe ich doch meinen Spruch an der Station in Friedrichroda vergessen aufzusagen«, stellt die Huschi-Husch etwas gestresst fest. »Aber dann muss ich sofort die Darauffolgende melden. … Nächste Haltestelle Marienglashöhle. Bitte nicht aussteigen oder einsteigen, dies ist eine Sonderfahrt.«

Allmählich kehrt Ruhe ein. Zufrieden und glücklich blicken die Tiere aus den Fenstern auf die schöne Landschaft, die an ihnen vorüberzieht. Es dämmert bereits, und so können sie bei glasklarem Wetter bis zum Großen Inselsberg hinüberschauen.

Vor der Bahn taucht in der Ferne die Endhaltestelle in Bad Tabarz auf. Das Wartehäuschen ist in blaues Licht getaucht. Gleich drei Polizeiautos haben sich in Reih und Glied dort nebeneinander postiert.

»Ihr braucht keine Furcht zu haben, die Polizisten können uns nicht erblicken«, spricht Morgel und zückt seinen Zauberstab. »Ich werde uns vorsichtshalber unsichtbar machen. Nebelschleier und Nebelkrähen, geschwind sind wir nicht mehr zu sehen!«
»Weg sind wir«, ist Pio überrascht.
»Das ist ja irre«, staunt Mio. »Wo bist du, Pio?«
»Autsch! Du hast mir in die Nase gebohrt«, schimpft die kleine Maus.
»Na, die werden Augen machen«, freut sich Lothar, »wenn eine leere Huschi-Husch an ihnen vorüberfährt.«
»Sobald ich Achtung sage, rückt ihr alle dicht beieinander und wir koboldieren zusammen zurück zum Komstkochsteich«, bittet der Kobold um Gehör. »Habt ihr das verstanden?«
»Jaaa«, rufen alle im Chor.
»Und was wird aus mir?«, fragt Gaston traurig. »Mon dieu! Die werden mich festnehmen und einsperren.«
»Keine Angst, mein kleiner Herr«, antwortet Morgel. »Du darfst gerne mit uns kommen.«
»Wirklich?«, ist das Meerschweinchen erfreut. »Ich kann für euch kochen. Ich bin ein guter Koch.«
»Das kannst du gerne tun. Du bist herzlich willkommen«, entgegnet der Kobold. »Aber tue, was du möchtest. Sei einfach du selbst, lebe dein Leben, mein neuer Freund. Du bist zu nichts verpflichtet.«
Die Bahn nähert sich der Endhaltestelle, um bald in die Wendeschleife einzufahren. Die Tiere rücken dicht an die Fenster und winken freundlich.

»Nächste Haltestelle Bad Tabarz. Bitte alle aussteigen, die Fahrt endet hier«, ruft die Huschi-Husch ein letztes Mal. »Es war mir eine Ehre, meine lieben Lebensretter, euch zu chauffieren.«
»Es war uns eine Ehre, hier mitgefahren zu sein«, bemerkt Schröder.

Am Bahnsteig haben sich zwei Polizistinnen und vier Polizisten aufgestellt. Sie geben wild Handzeichen, dass die Bahn sofort stehen bleiben soll. Doch die Huschi-Husch ignoriert dies und flitzt mit Karacho an ihnen vorüber.

»Bin ich total beknackt?«, fragt Mani. »Ich glaube, ich muss wirklich mal in Therapie. Die Bahn ist ja leer. Wer fährt das Ding?«
»Was redest du da?«, möchte Gerd wissen. »Die kann gar nicht von selbst fahren.«
»Ihr seid mir zwei Kerle«, stellt die eine Polizistin fest. »Ihr streitet wie ein altes Ehepaar.«

Ein letztes Mal gibt die Huschi-Husch Gas und brettert mit Schwung in die Wendeschleife. Die Räder quietschen und schlagen Funken. Das Fahrgestell krächzt. Die Glocke schlägt Bimm-Bimm-Bimm. Dann schaltet sie den Motor ab und lässt sich allmählich ausrollen.

Bildinhalt: Morgelgeschichte 8 - Morgel und die Abenteuer mit der Huschi-Husch - Der volle Waggon rast an den Polizisten vorbei, bevor er auf seiner letzten Fahrt für immer an der Endhaltestelle Bad Tabarz zum stehen kommt.

»Es ist so weit. Achtung!«, ruft Morgel und reißt die Schiebetür auf. »Rückt zusammen und schließt die Augen.«
»Machts gut«, spricht die Bahn.
»Adieu, mon cher Tramway«, verabschiedet sich Gaston und streicht zum Gruße noch mal mit der Pfote über das Fahrpult.
»Gute Weiterreise«, wünscht Lehrer Dachs.
»Auf Wiedersehen!«, rufen alle anderen im Chor.
»Wir sehen uns bestimmt noch einmal wieder«, tröstet Morgel die Bahn. »Lass deine Bimmel laut erklingen, wenn du in Not bist. Ich werde zu Stelle sein.« Der Kobold zieht seinen Zauberstab aus der Tasche und sagt seinen Zauberspruch auf: »Aufgeräumt und besenrein, geschwind ist alles wieder fein!«

Der ganze Waggon bäumt sich kurz auf. All der Schmutz, den die Tiere mit hineingetragen und verloren haben, ist fort. Auch Kunigundes Schneckenschleim ist plötzlich vom Boden des Fahrgastraumes verschwunden. Die Handläufe blitzen. Das Holz glänzt, als hätte man es frisch lackiert.
Dann nimmt Morgel sein Tastending zur Hand, drückt die Wurzelhöhlentaste und schwuppdiwupp sind er und alle Tiere hinfort koboldiert. Ruhe kehrt ein. Allmählich löst sich Morgels Zauberbann, der die Bahn umschließt, auf. Die fröhlichen, leuchtenden Farben um sie herum erblassen. Schwermut macht sich breit.

Die Huschi-Husch seufzt ein letztes Mal: »Hahhhhh … das war schön.«
Kurz darauf haucht sie ihr Eigenleben aus. Die Lichter erlöschen nach und nach und der Stromabnehmer verneigt sich, als wolle er diesem magischen Augenblick ein letztes Mal Respekt erweisen. Zurück bleibt ein ältliches Eisengefährt mit dem Namen T1.

Gerd, Mani und die anderen Polizisten stürmen in die Bahn. Sie blitzt und glänzt im Inneren, als wäre sie eben nagelneu in der Fabrik zusammengebaut worden. Es duftet nach frischer Farbe und gelacktem Holz. Nichts erinnert daran, dass hier gerade eine Horde Tiere gehaust hat.

»Wo sind der Fahrer und die Schaffnerin?«, fragt eine Polizistin.
Mani zuckt mit den Schultern.
»Ich bekomme gerade einen Funkspruch rein«, sagt Gerd. »Die beiden sind im Krankenhaus.«
Verwundert schauen sich alle an und steigen wieder aus. Mani verlässt als Letzter den Waggon und schließt die Schiebetür hinter sich. Ihm fällt auf, dass die äußere Trittstufe sonderbar glänzt und glitzert. »Eigenartig. Was ist das? Schleim, so viel klebriger Schleim«, muss er feststellen, als er diesen mit seinem Finger berührt. »Wie ist der dahin gekommen?«

Mit einem Male blitzen vor seinen Augen wundersame Bilder auf. Er sieht, wie Gerd und er einen Schatz aus dem Komstkochsteich hieven. Dann blickt er zusammen mit Gerd in eine Senke, wo ein kleiner Bär liegt und ein junger Fuchs darüber kniet. Und immer wieder zwischendurch blitzt das Bild eines blonden Jünglings auf, der Tim heißt, einen Dackel im Arm hält und nach Hilfe ruft.

»Was ist bloß los mit mir?«, fragt er sich.
»Siehst du wieder Geister?«, möchte Gerd wissen, als er Mani so verdutzt dastehen sieht. »Ich sage doch, gehe mal zum Therapeuten.«

Ende!

Ob die Fahrt für die Huschi-Husch weitergeht, ob sich Gaston innerhalb der Gemeinschaft am Komstkochsteich wohlfühlen wird und ob Mani eines Tages begreift, was das für Bilder in seinem Kopf sind, erfährst Du sicher irgendwann einmal in einer der nächsten Morgelgeschichten, wenn diese hier für dich erzählt werden. Bleib voller Neugier!

Erfahre mehr über die Figuren, Dinge und Orte in den Morgelgeschichten.
Erfahre mehr über den Autor und Illustrator der Morgelgeschichten.

Bitte bewerten Sie diese Geschichte:

Klicken Sie auf einen Stern, um eine Bewertung abzugeben.

Durchschnittliche Bewertung. 5 / 5. Stimmenzahl: 21

Bisher keine Stimmen! Sei der Erste, der diesen Beitrag bewertet.

Ein Kommentar:

  1. Ich kann mich noch gut erinnern als ich als Bub mit der alten Rumpel in Waltershausen zur Schule gefahren bin. Durch die Geschichte konnte ich auf die gute alte Zeit zurückblicken.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert