Morgel und der Schatz im Komstkochsteich (Teil 4 der Morgelgeschichten)

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Bildinhalt: Morgelgeschichte 4 - Morgel und der Schatz im Komstkochsteich - Das Cover des gleichnahmigen elektronischen Buches - Die Polizisten Gerd und Mani stehen am Bahnhof in Schnepfenthal neben ihrem Streifenwagen. Die beiden Raben Clara und Constantin vom Baldrichstein werfen ihnen Geldbündel aufs Autodach.

Autor: Jens K. Carl
Illustrator: Jens K. Carl
Altersempfehlung: ab 4 Jahren.

Mein Dank gilt:
Dr. med. Gerhard Schmidt aus Stuttgart,
den besten Arzt der Welt.

Morgel und der Schatz im Komstkochsteich

Zwei dunkle Gestalten

Spät abends, es dunkelt bereits. Die Sonne lässt ihre letzten Strahlen hoch oben über den Baumwipfeln tanzen, bevor sie sich entschließt, doch unterzugehen. Der Tag neigt sich dem Ende zu.

Igel Stachel und das Rehkitz haben sich angefreundet. Beide gönnen sich einen gemeinsamen letzten abendlichen Spaziergang unten am Komstkochsteich. Gerade um diese Zeit, wenn die Menschen ihre Angeln eingepackt und den Wald verlassen haben, ist die Stimmung am Teich märchenhaft.

Mit einem Male wird die Ruhe durch das Knattern und Aufheulen von Motoren gestört. Der ohrenbetäubende Krach wird immer lauter und macht den Tieren Angst. Überall huschen sie aufgeschreckt ins Dickicht und Unterholz der angrenzenden Wälder oder sie verschwinden in ihren unterirdischen Behausungen.

»Was ist das für ein Lärm, ein Lärm?«, fragt Stachel das Rehkitz aufgeregt.
»Das klingt gefährlich. Oje, oje!«, jammert das Kitz und setzt schon einmal zu einem Sprung ins dichte Unterholz an. »Bloß nichts wie weg hier!«

Bildinhalt: Morgelgeschichte 4 - Morgel und der Schatz im Komstkochsteich - Das Bild zeigt die beiden Bankräuber auf ihren Motorrädern den Waldweg entlangflitzen. Das Rehkitz und der Igel Stachel beobachten beide dabei.

»Ja du, du hast recht. Lass uns schnell in Deckung gehen, Deckung gehen«, stimmt der Igel zu.
Mit hohem Tempo rasen zwei dunkle Gestalten auf Motorrädern vorüber in Richtung Komstkochsteich. Die beiden sind so schnell, dass sie sich wegen der tiefen Löcher auf dem Waldweg eher fliegend fortbewegen.
Deren Abgas stinkt nach faulen Eiern. Eine dichte Staubwolke macht sich auf den Wegen und im Dickicht breit.

Igel Stachel und dem Rehkitz bleibt vor Gestank und Staub die Luft weg. Sie müssen husten: »Hrr-Hmm! Hrr-Hmm!« Und niesen: »Hatschi!«

Doch dann ist plötzlich Stille eingekehrt. Den beiden Tieren stockt der Atem.

Die in schwarzes Leder gekleideten Menschen haben am Ufer des Teiches Halt gemacht, die Motorräder abgestellt und ihre Helme abgenommen. Der eine hat einen dicken Kugelbauch und lange, graue Haare auf dem Kopf. Der andere ist spindeldürr und strohblond. Lautstark packen sich die beiden gegenseitig am Kragen. Die Männer streiten darüber, wer wie viel vom Kuchen abbekommt und dass es doch besser sei, alles vorerst im Wasser zu versenken. Der Jüngere der beiden schnappt daraufhin einen silberfarbenen Koffer und wirft diesen im hohen Bogen in den Teich. Dann schmeißt er gleich noch einen schwarzen Rucksack hinterher. Hastig besteigen die beiden ihre Kräder, klatschen sich ab und fahren danach flugs davon.

»Hatschi! Was war das denn, das denn?«, fragt der Igel und ist froh, dem Hustenreiz wieder nachgeben zu können: »Hrr-Hmm! Hrr-Hmm!«
»Keine Ahnung. Wanderer waren das sicher nicht«, antwortet das Rehkitz und fügt hinzu: »Ich denke, wir sollten schnell Hilfe holen. Hrr-Hmm! Wer weiß, was die da ins Wasser geworfen haben. Bestimmt keinen Kuchen. Der verdirbt doch darin. Das alles geht nicht mit rechten Dingen zu. Hatschi!«
»Gute Idee, gute Idee! Hrr-Hmm!«, stimmt ihm Stachel zu. »Mache dich gleich auf den Weg. Am besten holst du den Morgel her, Morgel her.«

Geschwind hüpft das Rehkitz los.

Als es an der Wurzelhöhle ankommt, ist es völlig außer Atem. Mit einem kräftigen Tritt gegen die Tür zur Koboldstube versucht es, den Waldkobold zu wecken, denn der wollte gerade heute, früh zu Bett gehen. Es ruft: »Komm, Morgel, komm! Hrr-Hmm! Komm! Du musst schnell zum Teich kommen, da ist etwas Seltsames geschehen. Komm doch endlich! Hatschi!«
»Eyers-maners-duers, noch einmal! Was ist denn los mit dir? Bist du etwa krank?«, tönt es halb verschlafen aus der Höhle. »Moment bitte! Ich werde mir erst einmal etwas überziehen.«
»Nein, nein, ich bin nicht krank. Das ist der Staub, weswegen ich immerzu husten und niesen muss. Hrr-Hmm!«, antwortet das Rehkitz. »Hatschi!«
Der Morgel öffnet die Tür: »Was für Staub? Was redest du denn da? Lass dich mal anschauen. Huste mal!«
»Hrr-Hmm! Hrr-Hmm!«, gibt das Kitz von sich. »Du musst mit zum Teich kommen. Los! Hatschi!«
»Jetzt trinke erst einmal etwas, dann wird es dir gleich besser gehen«, spricht Morgel und hält ihm eine Schale mit frischem Wasser hin. »Und putze dir mal richtig die Nase.« Das Rehkitz schlabbert aufgeregt ein paar Tropfen auf und schnäuzt mit aller Kraft in des Morgels Taschentuch. »Und nun erzähle, was geschehen ist.«
»Da haben zwei dunkle Gestalten etwas in den Teich geworfen. Vorher haben sie gestritten und sich geschlagen.«
»Und das konntest du wirklich alles beobachten?«
»Ja doch!«, ruft das Rehkitz. »Stachel war auch dabei. Ich schwöre, es ist wahr.«
»Also gut, dann schauen wir uns das mal an«, spricht Morgel. »Ich hoffe nur, ihr erlaubt euch nicht wieder einen Streich mit mir.«
»Das würden wir doch nie tun«, grinst das Rehkitz.

Kuchen im Komstkochsteich

Zusammen rennen sie geschwind auf dem Weg zum Teich hinunter. Am Ufer warten bereits Igel Stachel und Specht Gunther. Sie plappern sofort auf die beiden ein: »Da waren zwei komische Gestalten, die dort etwas ins Wasser geworfen haben.« Der kleine Vogel zeigt mit seinem Flügel aufgeregt auf die Mitte des Teiches.
»Wer war da? Wer soll wo etwas reingeworfen haben?«, fragt Morgel nach. »Ihr habt wohl schlecht geträumt?«
»Nein, ehrlich, da ist was ins Wasser geworfen worden«, seufzt das Kitz und fügt hinzu: »Kuchen womöglich!«
»Kuchen?«, fasst sich der Kobold fragend an den Kopf.
»Was ist, wenn da etwas Gefährliches oder Giftiges im Kuchen drinnen ist?«, warnt Gunther die Umstehenden.
»Ach papperlapapp! Ihr spinnt doch! Wer soll denn hier Kuchen reinwerfen? Es stehen doch überall die Schilder, dass die Fische nicht gefüttert werden dürfen. Ich gehe wieder schlafen«, brabbelt Morgel vor sich hin.

»Quak, quak! Ihr Landratten, nun macht schon, holt das Zeug da aus dem Wasser«, mahnt Frosch Emerald die vier an und hüpft geradewegs an Land. »Das ist nicht gut, da bildet sich bereits ein Ölfilm drumherum. Dort, wo die Seerosen schwimmen. … Quak!«

»Nun lass uns nachschauen«, fleht das Kitz den Morgel an.
»Na gut, ihr Nervensägen«, seufzt der Kobold. »Emerald, sorge bitte dafür, dass alle Teichbewohner sofort dort verschwinden.«
»Wird erledigt, mein Fürst!«, quakt der Frosch und hüpft im hohen Bogen zurück ins Wasser.
»Ihr drei gebt jetzt Ruhe und schließt die Augen.«
»Da können wir ja gar nichts sehen«, nuschelt das Rehkitz.
»Nun mach schon!«, fordert Morgel das Kitz auf. »Ich muss mich konzentrieren. Hier hilft nur noch uralte Magie und Zauberkraft.«

Plötzlich kehrt Totenstille ein. Alle spüren ein seltsames Kribbeln auf der Haut. Der Kobold breitet seine Arme nach vorn aus und murmelt einen Zauberspruch vor sich hin: »Mäusedreck und Papageiengeschrei, was abgetaucht ist, kommt herbei!«

Bildinhalt: Morgelgeschichte 4 - Morgel und der Schatz im Komstkochsteich -

Mit einem Male steigen Blasen vom Grund des Teiches auf. Erst wenige, dann immer mehr. Das Wasser scheint zu sieden und zu leuchten. Kurz darauf tauchen zwei seltsame Dinge aus den Fluten auf.
»Und der Spruch soll es nun bringen?«, fragt das Kitz blinzelnd nach.
Kaum hat es den Morgel unterbrochen, platschen die Teile mit lautem Getöse wieder ins Wasser.
»Halt endlich die Klappe, ich muss mich dabei konzentrieren!«, mahnt der Kobold das Rehkitz an und fügt hinzu: »Kein Wort mehr, sonst schicke ich euch alle auf den Mond!«
Der Morgel beginnt noch einmal von vorn und wiederholt seinen Zauberspruch. Wie von Geisterhand getragen, tauchen ein Koffer und ein Rucksack aus dem Wasser auf. Beides schwebt auf die vier zu. Mit einem dumpfen Bums knallen die Gepäckstücke vor ihnen auf den Waldboden.

»Nanu, was ist das denn?«, wundert sich Morgel.
»Du siehst, wir haben nicht geträumt, nicht geträumt«, meckert der Igel den Kobold an.
»Ja, ja! Ist ja gut. Was mag da wohl drinnen sein? Nach Kuchen sieht das nicht aus. Lasst uns mal nachschauen«, ist Morgel begeistert und macht sich sogleich am Rucksack zu schaffen. »Boah, ist der schwer. Der ist voller Metall. Viel glänzendes Metall. Das sind Geldmünzen!«
»Geldmünzen? Was soll das denn sein?«, fragt das Kitz nach.
»Geldmünzen sind eine Erfindung der Menschen. Die tauschen sie gegen Nahrung oder allerlei anderes Zeug«, antwortet Morgel. Er wühlt tiefer. »Hier sind ganz viele solcher Geldmünzen drinnen. Eyers-maners-duers, noch einmal! Ist das eine riesige Menge.«
»Warum haben die das hier wohl versenkt, versenkt?«, fragt Stachel nach.

Mittlerweile hat Gunther mit seinem Schnabel beide Schlösser des Koffers geöffnet. Der Kobold hebt vorsichtig die Klappe an.
»Kuchen!«, jubelt der Specht los. »Das muss der Kuchen sein.«
Schön aneinandergereiht, liegen bunte Päckchen darin. Violette, braune, grüne, rote und blaue Päckchen. Alle sind völlig durchnässt.
Gunther hüpft sofort in den Koffer und schlägt seinen langen spitzen Schnabel in eines dieser Päckchen hinein. Angewidert spuckt er alles wieder aus und schimpft: »Bäh! Pfui! Was ist das denn? Das schmeckt ja wie Kleisterpampe! Pfui! Bäh!«

»Euer Geschrei hört man ja bis hinüber zum Dachsloch«, ist aus dem Dunkel des Dickichts zu hören. Der Lehrer Dachs, der von dem ganzen Tumult aus dem Schlaf gerissen wurde, erscheint am Teich, um nach dem Rechten zu sehen. »Hättet ihr nicht alle längst im Bett liegen müssen? Morgen ist wieder Schule angesagt. … Oho, was habt ihr denn da entdeckt? … Aha, Geld! Wie kommt das nur hierher?«
»Das haben wir eben aus dem Teich gefischt«, antwortet Emerald, der Frosch.
»Aus dem Teich? Wie ist es dort hineingekommen?«, schaut der Lehrer erstaunt in die Runde.
»Zwei schwarz gekleidete Menschen haben den Kuchen da hineingeworfen, hineingeworfen«, gibt Stachel zu verstehen.
»Was für Kuchen?«, fragt der Dachs verwundert nach. »Du meinst wohl das viele Papiergeld hier?«

Plötzlich tauchen blaue Blitze und ein schrilles Sirenengeheul am Horizont auf. Gleich fünf Polizeiautos rasen in hohem Tempo auf den Teich zu. Unzählige Menschen in grüner Uniform steigen aus und schauen sich hastig am Ufer um. Einige davon fangen sogleich an, Gipsabdrücke von Fuß- und Reifenspuren auf den Waldwegen und im Gebüsch zu sichern. Die anderen brüllen sich unentwegt an und leuchten mit ihren Scheinwerfern den Teich ab.

»Versteckt euch! Schnell!«, ruft Morgel seinen Freunden zu und lässt alle flugs unsichtbar werden. Er schnappt den Rucksack und zerrt ihn ins Dickicht. Der Dachs schiebt den Koffer hinterher. Gespannt schauen sie dem Treiben der Polizisten zu.

»Kraa, kraa! Ist das nicht aufregend?«, ruft Clara vom Baldrichstein, die eitelste Krähe weit und breit, den sechs zu, als sie dort am Ufer landet. »Wir sind dem Sirenengeheul bis hierher gefolgt. Es ist immer hübsch anzusehen, wenn die blauen Lichter sich so drehen. Kraa!«
»Was die wohl da drüben suchen? Kraa, kraa?«, fragt Constantin, Claras Eherabe, in die Runde, als auch er nach einem kurzen Rundflug dort landet.
Aus den Büschen ist ein leises: »Pssst! Kommt hierher!«, und, »Versteckt euch!«, zu hören.

Auf der gegenüber liegenden Teichseite hat Sparky, ein äußerst neugieriger Spatz, seinen Schlafplatz in einem alten Nistkasten eingerichtet. Er belauscht die Gespräche der Polizisten und kann kaum glauben, was er da hören muss.
Sofort beschließt Sparky, den anderen darüber zu berichten, und fliegt flugs zur Böschung hinüber: »Morgel, Morgel!«, ruft er aufgeregt und flattert wild um dessen Kopf herum. »Drüberfall, Bräute, Kräuber und … ach herrje, ich muss mich setzen. Hui, mein Herz pocht ganz flott!«
»Ich verstehe kein Wort. Was ist los?«, fragt Morgel nach.
»Also … hach … ganz langsam. … Die babbeln von einem Drüberfall auf eine Spatzkasse und zwei Kräubern auf Krädern und von viel Bräute. Jetzt verstanden?«, gibt Sparky japsend von sich.
Morgel überlegt kurz. Dann schnipst er mit den Fingern und flüstert: »Das ist es! Ich habe es … ein Banküberfall! Die schwarzen Gestalten sind Räuber und haben die Sparkasse überfallen. Und das hier ist ihre Beute. Und damit sie nicht geschnappt werden, haben sie die Beute hier im Teich versenkt.«
»Kraa! Das ist alles so aufregend«, freut sich Clara.
»Ach ja, ehe ich es vergesse, die Kräuber sollen sich noch irgendwo hier herumtreiben«, fügt der Spatz hinzu.
»Gut gemacht, Sparky! Gut gemacht, in der Tat«, flüstert Stachel. »Jetzt wissen wir wenigstens, was es mit dem Schatz auf sich hat. Und was soll nun damit geschehen, geschehen?«

Die Polizeiautos fahren plötzlich wieder ab, ebenso schnell, wie sie gekommen waren. Ruhe kehrt ein.

Der Kobold steht auf, schüttelt sich das Laub und den Schmutz vom Schlafanzug und sagt mit fester Stimme: »Das Geld muss weg! Am besten dorthin, wo es herkam, in die Sparkasse oder gleich zur Polizei. Wir können so und so nichts damit anfangen.«
»Und wie sollen wir es anstellen, es anstellen?«, möchte der Igel wissen.
»Der Kobold hat recht«, spricht der Dachs. »Die Räuber werden irgendwann zurückkommen, um das Geld hier abzuholen. Wir sollten denen eine Falle stellen.«
»Genau! Aber wir brauchen einen Plan. … Der Ältestenrat tagt ohnehin morgen früh, dann werden wir sicher eine Lösung finden«, fügt Morgel hinzu und wendet sich ab. »Ich gehe wieder zu Bett und das rate ich euch auch. Gute Nacht!«
»Ich halte hier Wache«, ruft der Igel hinterher. »Ich kann um diese Zeit sowieso nicht schlafen, nicht schlafen!«

Hopsnehmen, mit List und Verstand

Bei Sonnenaufgang versammeln sich alle Tiere in und vor der Wurzelhöhle. Wildes Geschnatter und Gepiepse durchdringt die Stille des Waldes. Im Inneren der Höhle geht es auch hoch her. Es wird darüber diskutiert, wer was wann tun kann, um zu helfen. Einer ruft, wir sollten das Geld wieder versenken. Ein anderer weist auf die drohende Verschmutzung des Teiches hin. Eine Dritte schlägt vor, ich könnte die Polizei hierherlocken.
Plötzlich wedelt der Dachs mit seinen Armen und ruft laut dazwischen: »Ruhe! Ruhe! Wer hat das eben gesagt? Das mit dem Hierherlocken.«
»Kraa! Ich war das, kraa«, meldet sich Clara ganz verlegen. »Das war doch nur so ein Gedanke.«
»Aber das ist es, Clara! Wir zwei machen das«, lobt Constantin seine Angetraute. »Wir schnappen uns so ein Geldbündel und streuen eine Spur bis in den nächsten Ort. Das sollte doch die Polizisten irgendwie hierherlocken. Kraa!«
»Jawohl, und wir legen uns hier auf die Lauer, um die Räuber hopszunehmen, wenn sie zwischenzeitlich hier auftauchen sollten«, freut sich Gunther.
»Hopsnehmen? Ach, du liebes bisschen, das hört sich gefährlich an. Da will ich nichts mitzutun haben«, jammert Adalbert, der Molch, und verkriecht sich schnurstracks in seiner Kaminspalte.
»Nicht wir nehmen die Räuber hops. Wenn schon, dann macht das die Polizei«, erklärt der Dachs.
»Die Idee ist spitze!«, bestätigt Schröder, der Waldkauz. »Warum bin ich da nicht selbst darauf gekommen?«
»Gönne der senilen Nebelkrähe doch auch mal das berühmte Korn«, flüstert Esmeralda Schröder ins Ohr.
»Kraa! Das habe ich gehört, kraa«, ruft Clara beleidigt und zupft mit ihrem Schnabel am Netz der Kreuzspinne, auf dass Esmeralda wie ein Gummiball auf- und abfedert. »Huch, meine Liebe! Verzeihung. Kraa!«

»Gut nun! Also los!«, bestimmt der Kobold. »Clara und Constantin legen eine Spur hierher. Wir anderen verstauen den Rest der Beute wieder da, wo wir sie gefunden haben.«
»Genau! Allerdings ersetzen wir zuvor das Geld durch Wackersteine und versenken den Koffer und den Rucksack dann im Teich«, fügt der Dachs hinzu.
»Und wie kommt die Polizei dann an das Geld?«, fragt das Rehkitz dazwischen. »Ich habe da ja eine Idee! Malen wir doch eine Schatzkarte und geben diese den beiden Raben mit.«
»Toll, deine Idee«, freut sich Morgel. »So machen wir es. Du bist wirklich ein cleveres Bürschchen.«
Gesagt, getan. Alle beginnen sofort mit der Arbeit. Als Erstes schütten sie das ganze Geld in eine alte hölzerne Truhe, die vor Jahren ein Waldarbeiter hier im Wald vergessen hatte, und stellen sie im Dickicht ab. Dann versenken sie den Koffer und den Rucksack mit Steinen gefüllt wieder im Teich. Das Rehkitz und der Dachs malen derweil zusammen eine Schatzkarte und wickeln diese um ein Geldbündel.
Mit je einem Päckchen machen sich die beiden Raben auf den Weg in den nächsten Ort. Alle paar Meter zupft Clara aus Constantins Bündel einen Geldschein heraus und lässt ihn auf den Weg gleiten. Vor der nahegelegenen Schule der Menschen entdecken sie ein geparktes Polizeiauto. »Kraa, kraa, kraa!«, schreien beide und drehen einige Runden über dem Wagen. »Kraa, kraa, kraa!«
Constantin lässt sein Bündel mit Wucht auf das Autodach knallen. Dieses platzt auf und überall flattern die Geldscheine umher.

Plötzlich rappelt es in dem Auto. Die Türen werden blitzartig aufgestoßen. »Was war das denn?«, schimpfen die beiden Polizisten mit erhobenen Fäusten Richtung Himmel: »Das darf doch wohl nicht wahr sein! Macht euer Geschäftchen gefälligst anderswo!«
Auch Clara wirft sogleich ihr Päckchen im Sturzflug einem der Männer vor die Füße und schlägt danach einen Looping über dessen Kopf. Dann fliegen die beiden Raben krähend davon: »Kraa, kraa, kraa! … Hurra, hurra, hurra!«

Bildinhalt: Morgelgeschichte 4 - Morgel und der Schatz im Komstkochsteich - Das Bild zeigt die Polizisten Gerd und Mani dabei, wie beide die Schatzkarte studieren. Clare und Constantin vom Baldrichstein werfen unentwegt Geldscheine zu Boden, um für die beiden Männer eine Spur zum Komstkochsteich zu legen.

»Ist das Geld? Schau nur Mani!«, ruft ihm Polizeiobermeister Gerd zu, als er das Päckchen vom Dach des Autos herunterzieht. »Sammle das mal schnell alles ein, bevor es fortflattert.« Dann entdeckt Gerd einen alten Stofffetzen, mit allerlei Strichen und Kreisen darauf. Egal, wie er den Fetzen dreht und wendet, so richtig schlau wird er nicht aus der Krakelei. »Mani, verstehst du das?«
»Das sieht aus wie eine Karte«, ist Manfred überzeugt.
»Stimmt, das könnte eine Schatzkarte sein«, gibt ihm Gerd recht. Er nimmt das nasse Bündel zur Hand, betrachtet die Banderole darum und stellt fest: »Das Geld stammt eindeutig aus dem gestrigen Sparkassenraub. Kapierst du das? Was haben bloß die ollen Krähen damit zu tun?«
»Schau nur, da vorn fliegen auch noch Scheine auf dem Weg umher«, spricht Manfred und rennt schnell dorthin, um diese einzusammeln. »Hier liegen noch viel mehr. Das sieht aus, als hätte jemand eine Spur gelegt. Sie führt zum Klostermühlenweg hinauf.«
»Du spinnst doch. So etwas gibt es doch nur im Märchen«, ruft Gerd ihm zu.
»Nein, im Ernst. Komm her und schau«, winkt Manfred ihn herbei. »Wenn ich die Karte so betrachte, dürfte der Kreis der Komstkochsteich sein. Und da, wo die Kreuze sind, liegt womöglich die Beute.«
»Jetzt, wo du es sagst. Du könntest recht haben. Aber was haben bloß die beiden Krähen damit zu tun?«, fragt Gerd und kratzt sich dabei am Kopf.
»Wer weiß? Ich werde der Spur zu Fuß folgen. Ruf du derweil Verstärkung heran«, fordert Manfred ihn auf.
»Na gut. Ich fahre dir dann langsam mit dem Wagen hinterher«, stimmt Gerd zu und ruft nebenbei per Funk weitere Polizeistreifen herbei.

Den ganzen Weg über hat Manfred die Karte immer wieder angeschaut. Als er am Komstkochsteich ankommt, ist ihm schnell klar, an welcher Stelle der Schatz liegen muss.

Bildinhalt: Morgelgeschichte 4 - Morgel und der Schatz im Komstkochsteich - Die Schatzkarte zeigt die Stelle, an der der Kuchen versteckt ist.

Ein Kreuz befindet sich gleich neben dem Kreis. Es dauert daher nicht lange und Manfred stößt auf die hölzerne Truhe mit der restlichen Beute darin. Zusammen mit Gerd bugsieren sie die schwere Kiste in den Kofferraum ihres Polizeiautos.

Doch was bedeutet das zweite Kreuz auf der Karte, fragt sich Manfred. Es befindet sich innerhalb des Kreises. Lag die Beute etwa dort im Wasser und ist das Geld deshalb so nass, überlegt er sich weiter. »Gerd, ich glaube, die Ganoven hatten das Geld hier im Teich versenkt und irgendein Witzbold hat es für uns herausgeholt und uns dann mittels der Krähen hierhergelockt.«
»Meinst du wirklich? Es sieht wahrlich ganz danach aus«, gibt ihm Gerd recht. »Wir sollten die Karte allerdings vor den Kollegen verstecken. Das mit den Krähen glaubt uns doch kein Mensch. Die halten uns für total bekloppt.«
»Wir sagen einfach, wir beide sind ganz zufällig auf die Beute gestoßen«, schlägt Mani ihm vor und steckt daraufhin die Schatzkarte ordentlich gefaltet in seine Hosentasche. »Dort ist sie sicher.«

Mittlerweile sind weitere Polizisten am Teich eingetroffen. Gerd übernimmt als Dienstältester das Kommando.
»Kameraden, wir sind hier zufällig auf die Beute aus dem Sparkassenraub gestoßen. Das Geld konnten wir bereits sicherstellen«, ruft er ihnen zu. »Es ist nun geboten, auch die Räuber dingfest zu machen. Deshalb haben Mani und ich überlegt, dass wir uns hier auf die Lauer legen und auf die Ganoven warten. Ich kann nicht einschätzen, wie lange dieser Einsatz dauern wird, daher werden wir hier bei Tag und bei Nacht abwechselnd Wache schieben. Mani und ich fangen an.«

»Jetzt geht es los«, flüstert Morgel seinen Freunden zu, als sie die Polizisten aus einiger Entfernung beobachten. »Wir müssen aufpassen, dass die hier nicht überall umher schnüffeln und unseren schönen Wald zertrampeln.«
»Ich schlage vor, dass wir uns an den Waldwegen postieren und den Räubern den Rückzug versperren, falls diese hier auftauchen und vor der Polizei türmen wollen«, spricht der Dachs.
»Und wir halten von oben Ausschau, wann sie kommen«, fügt Waldkauz Schröder hinzu.
»Kraa! Das ist alles so aufregend«, freut sich Clara. »Endlich ist mal richtig was los hier.«

Die Zeit vergeht und kein einziger Räuber lässt sich am Teich sehen. Nur einige Wanderer machen hin und wieder hier Rast.
Ganze drei Tage liegen die Polizisten auf der Lauer, ohne dass etwas Außergewöhnliches passiert.

Noch bevor zu Beginn des vierten Tages die Sonne aufgeht, schlägt der Waldkauz Alarm. Seinem scharfen Blick entgeht nichts. Von Weitem sind die auf und ab tanzenden Lichtstrahlen zweier Taschenlampen zu sehen. Die Lichter kommen allmählich näher. Sofort fliegt Schröder los, um die anderen zu warnen: »Da kommt wer! Zwei dunkle Gestalten zu Fuß.«
Die Tiere beziehen leise ihre Posten.

Auch die Polizisten haben die Lichter entdeckt und bereiten sich auf den Zugriff vor. Sie beobachten, wie zwei schwarz gekleidete Männer erst einen Koffer und dann einen Rucksack lautlos aus dem Teich fischen. Bevor allerdings die Räuber den Inhalt prüfen können, greifen die Polizisten zu. Der jüngere Ganove von beiden versucht noch schnell, zu fliehen. Jedoch stellen sich ihm plötzlich eine fauchende Luchsin und ein zähnefletschender Fuchs in den Weg. Völlig verängstigt lässt auch er sich festnehmen. Es klicken die Handschellen.

Zufrieden fahren die Polizisten davon. Auch Manfred und Gerd besteigen ihren Streifenwagen, um zum Polizeirevier zurückzufahren. Doch plötzlich überkommt beide eine merkwürdige Müdigkeit, sodass sie sich dazu entschließen, erst noch schnell ein Nickerchen zu machen.

Vorsichtig schleichen sich Morgel und der Dachs an das Auto heran. Auch die Waldfee Regina ist dabei und flattert um den Wagen herum. Sie hat kurzerhand den beiden einen Müdigkeitszauber verpasst.
»Die schlafen tief und fest«, bemerkt der Kobold. Er öffnet sachte die Beifahrertür und zieht flink die Schatzkarte aus Manis Hosentasche. »So, nun lasst uns den Vergessenszauber ausführen.«
»Ihr dürft aber nur das mit den Krähen und den Geldscheinen auf dem Weg hierher aus ihrem Gedächtnis löschen«, gibt der Dachs zu verstehen. »Sonst haben die ja gar nichts von ihrem Ruhm nachher, wenn sie von ihren Kollegen gefeiert werden.«
»Meinereiner wird gut aufpassen«, beruhigt ihn Regina.
»So, nun legt los!«, ruft Morgel den beiden zu.

Die Fee hält ihren Zauberstab vor die Windschutzscheibe und der Dachs gibt einen kräftigen Tritt gegen das Vorderrad. Für einen winzigen Moment reißen Mani und Gerd ihre Augen auf und schon erhellt ein kurzer, greller Blitz ihr Antlitz. Gleich darauf versinken beide wieder in einen Tiefschlaf.

»Fertig! Das war es für meinereiner«, ist Regina zufrieden.
»Jetzt lasst uns zur Wurzelhöhle hinüberlaufen und mit den anderen feiern«, klopft der Dachs dem Kobold auf die Schulter. »Das haben wir doch prima hingekriegt.«

Als Mani und Gerd wieder erwachen, können sie sich nicht mehr daran erinnern, wie sie hierher in den Wald gekommen waren. Nur dass sie zwei Gauner schnappen konnten, das wussten die beiden noch. Zufrieden lässt Gerd den Motor an und fährt mit Mani von dannen.

In der nächsten Geschichte gibt es ein kurzes Wiedersehen mit Mani und Gerd. Was sie wohl diesmal für ein Abenteuer erleben werden? Bleib voller Neugier!

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5 Kommentare:

  1. Bert G. P. Tönnies

    Der Autor entführt uns in die zauberhafte Welt des Thüringer Waldes mit seiner Geschichte »Morgel und der Schatz im Komstkochsteich«. Die Handlung dreht sich um den Waldkobold Morgel und seine Freunde, die gemeinsam einen geheimen Schatz entdecken und dabei eine Verschwörung aufdecken.

    Carl gelingt es meisterhaft, eine lebendige und farbenfrohe Atmosphäre zu schaffen, die den Leser sofort in den märchenhaften Krimi eintauchen lässt. Die Charaktere sind liebevoll gezeichnet, und ihre Abenteuer sind voller Spannung und Humor. Besonders die Wechselwirkungen zwischen den magischen Wesen und den Polizisten sind wunderbar dargestellt und laden dazu ein, sich in diese fantasievolle Welt zu verlieren.

    Der Schreibstil ist einfach und zugänglich, was die Geschichte für Jung und Alt ansprechend macht. Die Beschreibungen sind ausdrucksstark und regen die Fantasie an, sodass man sich leicht in die Ereignisse hineinversetzen kann.

    Empfehlung: Ich empfehle »Morgel und der Schatz im Komstkochsteich« jedem, der gerne in eine Welt voller Magie und Abenteuer eintauchen möchte. Es ist eine wunderbare Lektüre für die ganze Familie und ideal für Leser, die Geschichten mit einem Hauch von Mystik und Freundschaft lieben.

  2. Danke für diese zauberhafte Geschichte und so lehrreich.
    Genau richtig für diese besinnliche Vorweihnachtszeit.
    Klasse und empfehlenswert!

  3. Im Zauberwald braucht man keinen schnöden Mammon.

    Kein Pardon für Bankräuber.
    Während Teil 1 bis 3 weitestgehend aufeinander aufbauen und eine durchgehende Handlung erzählen, ist Teil 4 ein eigenständiges Märchen. Das Cover macht einen wirklich guten Eindruck und die Handlung ist kindgerecht. Die drei Schattenrisse zeigen ein dynamisches Geschehen, wie zum Beispiel, Motorradfahrer in Lederkombi oder Polizei mit einem modernen Streifenwagen.
    Nach einem Banküberfall auf die Sparkasse in Waltershausen versenken die Räuber ihre Beute im Komstkochsteich. Dabei werden sie vom Igel Stachel und dem Rehkitz beobachtet. Schnell wird klar, dass es sich anstatt um Kuchen, um Geld handelt, was da in den Fluten verschwunden war. Doch was sollen die Tiere, Pflanzen und der Waldkobold damit anfangen. Geld ist das letzte, was man im Morgelwald zum Leben braucht. »Das Geld muss weg! … Wir können so und so nichts damit anfangen«, gibt Morgel überzeugend vor. Mit einem ausgeklügelten Plan leisten die Gefährten um den Kobold der hiesigen Polizei Schützenhilfe und bringen so die Täter zur Strecke.

  4. Ingeborg Löffler

    Wieder ein sehr schönes modernes Märchen, welches wunderbar in diese Zeit passt. Das Cover halte ich für sehr gelungen. Auch die Kurzbeschreibung lässt einiges erwarten. Im Nu war ich in die Handlung eingestiegen. Von Anfang an ist Spannung da, die während der Geschichte nicht an Kraft verliert. Die Handlung ist überzeugend und nachvollziehbar. Jede Morgelgeschichte hat eine eigenständige Handlung, allerdings, um mehr über die Umgebung und die Charaktere zu erfahren, ist es ratsam, auch die ersten drei Teile der Morgelgeschichten gelesen zu haben. Sehr zu empfehlen.

  5. Ich finde diese Geschichte wunderbar. Es wird erzählt, wie die Tiere der Polizei helfen, einen Bankraub aufzudecken. Alles Geld der Welt bringt nichts, wenn es nicht auf ehrliche Weise verdient wird.

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