
Autor: Jens K. Carl.
Illustrationen: Jens K. Carl (KI-generiert unter Zuhilfenahme von Microsoft Copilot Pro).
Altersempfehlung: ab 4 Jahren.
Mike H. Raimann,
dem Burgvogt auf Schloss Tenneberg zu Waltershausen.
Morgel und die eitle AlbasolEs ist Winter geworden. Schnee ist gefallen. Die Bäume und Sträucher ringsumher sehen aus, als wären sie mit Puderzucker bestreut. Der Komstkochsteich ist von einer dicken Eisdecke bedeckt, auf der die Menschenkinder tagsüber und die Tiere des Waldes des Nachts Schlittschuhlaufen. Allerorts knistert, knackt und knarrt es vor Kälte. Das Leben scheint stillzustehen und es ist, als sei eine wundersame Ruhe eingekehrt. Auch die beiden Weißtannen, die mit ihrem Zauber den Blick auf die Wurzelhöhle verhindern, sind von oben bis unten mit der weißen Pracht überzogen. Ihre Äste und Zweige stöhnen unter der schweren Last. Jedoch lassen sie sich dies nicht anmerken, denn die beiden sind stolz darauf, hier im Wald die ältesten, größten und schönsten Zaubertannen zu sein. Albasols Unheil nahtWie jede Nacht macht es sich Schröder, der Waldkauz, im dichten Geäst Albasols bequem. Von dort aus hält er Ausschau und wacht über den umliegenden Morgelwald. Plötzlich rumpelt es und der ganze Baum erzittert. Alte, verdorrte Äste und Zweige brechen und treffen Schröder an dessen rechtem Flügel. Nur mit Mühe kann er sich aus dem Geäst befreien und fliegt mit weit ausgebreiteten Schwingen hoch hinauf in den Nachthimmel, um zu schauen, was da Unheimliches geschieht. |

Ein riesiges, dröhnendes Ungetüm macht sich am Stamm von Albasol zu schaffen. Für Schröder sieht es so aus, als würde sich ein eiserner Riesenkrake mit seinen Fangarmen um den Baum schlängeln. Dann hört er ein kurzes, ohrenbetäubendes Surren, und schon neigt sich die Zaubertanne und gleitet sanft zur Erde. Sechs orangefarbene Gestalten wuseln wie Ameisen um den am Boden liegenden Stamm herum und verschnüren die großen herabhängenden Äste mit einem Drahtgeflecht. Dann rollt der Krake mit dem Baum aus dem Wald.
Schröder ist wie vom Schlag getroffen. Er wischt sich die Augen. Träume ich, fragt er sich? Nur langsam begreift der Waldkauz, was da eben geschah. Die Männer konnten die stummen Schreie der Tanne nicht hören. Für Schröder waren sie dafür umso lauter. Albasol muss gerade Höllenqualen durchleben. Natürlich bekam auch Albamon das Wehklagen und die Schreie seiner geliebten Albasol mit. Nur zu gern wäre er samt Wurzelwerk aus dem Boden gefahren und hätte dieses sonderbare Ungetüm unter sich zermalmt. Aber das war nicht möglich, denn der Baum ist fest mit der Erde verwachsen. Albamon konnte nur untätig, aber sehr erzürnt und wütend zuschauen. Der Waldkauz macht sich sogleich auf den Weg, um der armen Albasol zu folgen. Doch sein Flügel schmerzt, und so kann er nach wenigen hundert Metern nur zuschauen, wie das Ungetüm mit der Tanne von dannen fährt. Ohne auch nur zu ahnen, welch Unheil über die Gemeinschaft am Komstkochsteich gekommen ist, tritt Morgel gut gelaunt vor die Tür. |

Geschlossen treten diese vor die Tür und starren schweigend auf den kahlen Baumstumpf, der nun verletzt zurückgeblieben ist. Weinend und schnaufend liegen sich die Hunde Antony und Paschinka, das Rehkitz und dessen Mutter Gertrud, die Mäuse Mio und Pio, die Spatzen Fridolin und Sparky und die Eichhörnchen Tammy und Yammy in den Armen. Die Bache Wilma und ihre drei Frischlinge Ben, Ken und Molli stehen wie versteinert da. Esmeralda, die Kreuzspinne, hat vor Schreck ihren Seidenfaden durchtrennt und ist zu Boden gefallen. Auch Lava, die Luchsin, und Lothar vom Hocksloch, der schlaue Fuchs, eilen schnell herbei. »Welch ein Übel«, stöhnt Lehrer Dachs. Und Molch Adalbert kriecht derweil noch tiefer in seinen Kaminspalt hinein und jammert vor sich hin: »Ich habe es euch gesagt, irgendwann kommt so ein Unheil auch über uns. … Ich habe es ja immer gesagt.« Albamon ist nun in tiefe Trauer verfallen. Seine Klagerufe sind weithin zu hören. Die Äste hängen leblos an ihm herunter und dicke Harztränen tropfen von seinen Zweigen und Nadeln herab. Die umliegenden Bäume und Sträucher bemühen sich, ihm in dieser schweren Stunde Trost zu spenden. Noch in derselben Nacht beruft Morgel und der gesamte Ältestenrat eine Großversammlung ein. Bis zum frühen Morgen diskutieren, streiten und weinen sie über den unheilvollen Verlust der geliebten Albasol. Bei einem sind sich die Tiere aber sicher: Albasol ist noch am Leben und muss schnellstens gefunden werden. Kurz vor Mittag kommt Doktor Freund auf einen Hausbesuch zur Wurzelhöhle angelaufen. Er will nach dem kleinen Bären Dinco schauen und ob dessen Wunde nun endlich richtig verheilt ist. Später fällt dem Tierarzt ein, dass er bei einem Hausbesuch eine merkwürdige Entdeckung machen musste. »Auf dem Waltershäuser Marktplatz steht seit heute Morgen eine sehr große hübsche Tanne. Offenbar haben die Bewohner dort über Nacht einen Weihnachtsbaum aufgestellt. … Aber das kann doch nicht sein … oder?«, überlegt er weiter. »Dann sollten wir sofort nachschauen, ob das wirklich unsere Albasol ist«, schlägt Morgel vor. »Wer kommt mit?« Albasol auf dem WeihnachtsmarktEine Sekunde später treffen die Sechs auf dem Marktplatz ein. Während der Kobold sogleich unsichtbar wird, huschen die Tiere hinter eine der vielen kleinen, schneebedeckten Holzhütten, um nicht entdeckt zu werden. Geschwind fliegen Schröder, Fridolin und Sparky hinüber zu ihr und Tammy und Yammy flitzen am Stamm hinauf. »Albasol, Albasol«, flüstert Tammy. |

»Wach auf!«, brüllt Yammy die Tanne an. »Du lebst. Wir sind es, deine Freunde.« »Oje, ihr seid es! Welch ein Glück. Mir tut alles weh. Ich glaube, ich bekomme wieder mein Rheuma im Stamm«, jammert die Tanne vor sich hin und schaut sich um. »Wo bin ich hier? Ich sehe meinen geliebten Albamon nicht mehr. Was ist nur geschehen?« »Ja, weißt du denn nicht, was passiert ist?«, fragt Fridolin. »Du wurdest abgesägt.« »Abgesägt?«, stöhnt Albasol und schaut an sich hinunter. »Bist du still! Soll sie einen Schock erleiden«, stellt Morgel fest, nachdem auch er am Stamm hinaufgeklettert ist. »Sie benötigt jetzt dringend Wasser und vor allem Ruhe.« »Es tut mir leid, Albasol«, entschuldigt sich Schröder. »Ich muss heute Nacht eingeschlafen sein. Ich konnte nichts mehr tun, um dich zu retten.« »Können wir sie nicht einfach wieder mitnehmen?«, möchte Yammy wissen. »Später vielleicht. Jetzt nicht«, antwortet Morgel. »Albasol ist mit Eisenfüßen am Boden verankert und etliche Stromkabel wurden an ihren Stamm angenagelt. Sie muss schlimme Schmerzen haben. Außerdem würden wir viel zu viel Aufmerksamkeit unter den Menschen erregen. Die fallen doch alle tot um, wenn plötzlich eine Tanne durch die Lüfte fliegt. Wir sollten nach Mitternacht wiederkommen. Albasol, du musst bis dahin durchhalten. Wir retten dich. Versprochen!« »Also, ich bleibe hier«, bestimmt Yammy. »Wenn Yammy bleibt, dann bleibe auch ich«, gibt Tammy zu verstehen. »Na gut, dann kümmert euch auch um sie. Passt gut auf, dass Albasol nichts Schlimmeres passiert«, ist Morgel einverstanden. »Ich muss zurück in den Morgelwald, um dem Ältestenrat Bericht zu erstatten und den Rücktransportzauber vorzubereiten.« Den beiden Eichhörnchen gelingt es, das Ende eines Wasserschlauches so zu winden, dass lauwarmes Wasser bis zum Stamm von Albasol hinüber fließt. Der Waldkauz und die Spatzen halten derweil Wache. Bei so viel Hektik und Gewusel auf dem Platz, bemerken sie erst spät, dass zwei Hubarbeitsbühnen mit je einem langen Auslegerarm vor und hinter Albasol herangekarrt werden. Von Furcht getrieben, ergreifen Tammy und Yammy blitzartig die Flucht. Fridolin und Sparky flattern aufgeregt am Baum auf und ab. Als die zwei Spatzen und die beiden Eichhörnchen wieder auf den Baum zurückkehren, sind sie überwältigt von dem vielen Glanz und den bunten Lichtern, die Albasol so anmutig erstrahlen lassen. »Oh, schaut nur«, wundert sich Tammy. »Ist das nicht bezaubernd? Unsere Albasol ist schon immer die Schönste unter den Tannen gewesen. Nun ist sie noch viel schöner.« |

»Ja, toll. Wie das alles glitzert«, stimmt Yammy zu und stupst mit der Pfote gegen eine Glaskugel. »Oh wei, oh wei, da ist ein Fremder, ein Eindringling«, warnt er Tammy und schlägt mit voller Kraft auf sein Gegenüber ein. So heftig, dass die Kugel abreißt und im hohen Bogen zu Boden fällt und dort in tausend kleine Splitter zerschellt. »Dem hast du es aber gegeben«, lacht Sparky. »Der kommt bestimmt so schnell nicht wieder hier hoch.« »Wer das wohl war?«, fragt Yammy. »Der sah fast so aus wie ich selbst.« »Ist doch egal, die Hauptsache, er ist fort«, antwortet Sparky. »Ihr Dummköpfe«, frotzelt Fridolin. »Das warst du selbst, das war dein Spiegelbild.« »Seid endlich leise und lasst den Klimbim in Ruhe. Wir dürfen nicht auffallen, hat der Morgel gesagt«, flüstert Schröder den vieren von draußen zu. »Zwischen dem vielen Plunder kann ich nicht landen. Es ist kein Platz mehr für mich da. Ich wache ab sofort vom Rathausdach aus über euch.« Dann fliegt der Kauz davon. Mittlerweile ist es Abend geworden. Die Sonne ist dabei, unterzugehen. Leise rieseln hier und da einige Schneeflocken zu Boden. Es duftet nach Bratwurst, Glühwein und Eierkuchen. Vor den Hütten bilden sich lange Menschenschlangen und aus der Stadtkirche ertönen weihnachtliche Klänge, die weithin, bis tief in alle Gassen, zu hören sind. Albasol packt die EitelkeitAll der Lärm und das Licht lassen Albasol aus ihrem Tiefschlaf erwachen. Sie spürt plötzlich die wohlige Wärme der brennenden Kerzen, die sie allseitig umkleidet. Die Schmerzen in ihren Ästen und Zweigen verlieren sich allmählich ins Nichts. Die Weißtanne entdeckt mit einem Mal die vielen Menschen um sich herum. Sie ist verwirrt. Was wollen die von mir, fragt sie sich. Wieso schauen die mich alle so huldvoll an? |

»Was wollt ihr denn noch hier? Ich brauche euch nun nicht mehr. Geht fort!«, befiehlt Albasol mit ernster Stimme ihren Freunden. »Die Menschen wollen nur mich sehen … seht her ihr Leute, ich bin es, Albasol. Die schönste aller Weißtannen weit und breit.« »Jetzt dreht sie total durch«, ist Sparky entsetzt. »Die Menschen können dich gar nicht verstehen.« »Was ist bloß los mit dir, Albasol?«, fragt Tammy erstaunt. »Wir wollen dir doch helfen. Der Morgel möchte dich in unseren schönen Morgelwald zurückholen.« »Ich brauche eure Hilfe nicht!«, entgegnet Albasol herablassend. »Ich wusste schon immer, dass ich dort in diesem dunklen Wald am falschen Platz stehe. Der Stumpfsinn hat ein für alle Mal ein Ende. Endlich erkennt jemand, wie schön ich doch bin. Nun geht endlich fort! Lasst mich allein! Ihr stört mein Gesamtbildnis, denn ich bin nun ein Star.« »Los, kommt! Wir gehen. Das müssen wir sofort dem Waldkauz berichten«, fordert Yammy die anderen auf. »Die spinnt doch.« Zwischenzeitlich ist der Kobold aus dem Morgelwald zurückgekehrt und schaut zusammen mit dem Waldkauz vom Giebel des Rathausdaches aus, dem bunten Treiben auf dem Weihnachtsmarkt zu. Bis in die Abendstunden hinein schloss sich der Morgel mit der Waldfee Regina und den fünf Zauberbüchern in dessen Kammer in der Wurzelhöhle ein, um einen passenden Rettungszauber für eine Rückkehr Albasols zu finden. Das war überaus mühsam, denn die stark vergilbten Seiten der in feinem Leder eingebundenen Bände waren schwer zu lesen, da sie teils in einer uralten Schrift verfasst und teilweise von Mäusen oder anderem Getier angefressen worden waren. Doch die Mühe hat sich gelohnt. Die beiden wurden fündig. |

Die vierte und wichtigste Beigabe muss allerdings von Albasol selbst kommen. Ihr unumstößlicher Wille muss es sein, ohne Wenn und Aber, wieder an ihren angestammten Platz im Morgelwald zurückkehren zu wollen. Und zu guter Letzt ist dann noch ein Quäntchen Glück vonnöten, auf dem Weihnachtsmarkt von keinem Menschen bei der Zauberei entdeckt zu werden. Damit der Zauber gelingen mag, ist auch die Schnittfläche an Albasols Stamm feucht zu halten. Und so hat Morgel einen Becher voll mit Schneckenschleim zum Marktplatz mitgebracht und bereits unter der Tanne verteilt. Die frohe Kunde, dass die Zaubertanne nun doch gerettet und wieder nach Hause zurückkehren kann, lässt die Tierkinder vor Freude auf dem Rathausdach tanzen. Als der Kobold jedoch vom Streit zwischen der Tanne und den Eichhörnchen hört, entscheidet er, dass Albasol noch eine ganze Weile hier ausharren muss: »Wenn das so ist, dann können wir vorläufig nichts tun. Wir kommen nicht umhin, abzuwarten. Albasol muss von sich aus auf ihren angestammten Platz vor der Wurzelhöhle zurückkehren wollen, ansonsten wirkt mein Zauber nicht und das Wunder misslingt. Lenkt sie nicht von selbst ein, wird sie wohl oder übel hier sterben müssen.« Die schreckliche Nachricht über Albasols selbst gewähltes Schicksal spricht sich am nächsten Morgen schnell herum im Morgelwald. Mitgefühl und tiefe Trauer machen sich innerhalb der Gemeinschaft am Komstkochsteich breit, aber auch eine gehörige Menge Unverständnis über ihr abweisendes Verhalten. Begeisterung entfacht hingegen die Erzählung der Spatzen und Eichhörnchen über den prächtigen Weihnachtsschmuck und die vielen bunten Lichter. Und so kommt es, dass auch die Tierkinder ihren Wald farbenfroh geschmückt haben wollen. Regina ist von der Idee fasziniert und fliegt sogleich eine große Runde um den Teich. Dabei versprüht die Fee Tonnen von Feenstaub. Im Nu glitzern die Bäume und Sträucher in allen Farben und leuchten weit hinauf in den Nachthimmel. Albasols RettungFür Albasol hat nun das wahre Leben begonnen. Sie fühlt sich in ihrer Rolle als Weihnachtsbaum pudelwohl und möchte, dass dies nie mehr wieder aufhört. Ihre Traurigkeit scheint für immer verflogen zu sein. Auch die quälenden Schmerzen spürt sie nicht mehr. Doch eines Tages bleibt der Trubel aus. Niemand nimmt mehr Notiz von ihr. Durch die Fenster des Rathauses kann Albasol tanzende Menschen in einem festlich geschmückten Saal beobachten. In einem anderen Raum wird gegessen, getrunken, erzählt und gelacht. Soll es das gewesen sein, fragt sich Albasol. Ihre Kräfte schwinden. Sie spürt, dass einige Zweige bereits erfroren sind und die Tannennadeln nach und nach ihr leuchtendes Grün verlieren. Hier und da prasseln die Ersten zu Boden. Ihre Borke vertrocknet und wird rissig. Nur mit Mühe kann Albasol die noch verbliebenen Lebenssäfte aus dem Stamm nach oben bis in die Spitzen saugen. Nun geht es zu Ende, ist sie sich sicher. Wo sind nur meine Freunde geblieben, fragt sie sich. Vor Gram und Erschöpfung fällt Albasol in einen tiefen, dumpfen Schlaf. Als die Tanne am nächsten Tag erwacht, ist sie abgeschmückt. Der Glitzerschmuck, die Glaskugeln, die Kerzen, alles ist weg. Kahl und geschunden steht sie nun da. Tieftraurig und von aller Welt verlassen, glaubt sie. Vom Dach des Rathauses aus beobachteten Morgel und der Waldkauz tagein, tagaus den drohenden Untergang der Zaubertanne. Eines Nachts verstummt ihr Bangen und Flehen. |

Im hohen Bogen schwingt der Kobold seinen Zauberstab. Erst verkleinert er die Tanne mit dem Zauberspruch: »Mondeslicht und Sonnenschein, Großes wird nun klitzeklein!«, dann drückt er die Wurzelhöhle-Taste auf seinem Tastending. Plötzlich ruckelt und bebt der ganze Stamm. Ein ungeheurer Schwall an abgestorbenen Zweigen und Nadeln prasselt zuhauf lautstark zu Boden. Wie von Geisterhand brechen die stählernen Verankerungen aus der Erde und die Tanne steigt sachte, wie eine Rakete, empor. Laut peitschend, reißen die angenagelten Kabelbäume ab und knallen auf den Asphalt. Morgel und Schröder schnappen sich je einen dicken Ast und schon fliegen sie mit Albasol schnell wie ein geölter Blitz der bald aufsteigenden Wintersonne entgegen. Sekunden später kommen die drei an der Wurzelhöhle an. Albasol schwebt nun senkrecht über dem verwaisten Baumstumpf, den Dinco bereits mit Zauberklebstoff eingestrichen hat. Gleich nach der Ankunft bestreicht er noch schnell die Schnittfläche des Baumstammes. |

Just in diesem Moment erscheint auch Regina, die Waldfee, mit freudiger Kunde wieder im Morgelwald. »Wie euereiner gelesen hat, verlangt der Zauber eine weitere Zutat«, ruft sie dem Morgel zu. »Zum Glück konnte meinereiner eine letzte Phiole voll mit dem verschollen geglaubten Elixier in den Katakomben der alten Wallburg finden. Schaut jetzt in euereiner Manteltasche nach. Dort wird euereiner das Drachenblut vorfinden.« Unter den Morgelwaldbewohnern ist plötzlich ein lautes Raunen zu hören: »Drachenblut?« Der Kobold mahnt zur Ruhe und zieht in der Tat einen dunkelrot leuchtenden Flakon aus seiner Tasche. »Das ist in der Tat ein Wunder«, ist Morgel erstaunt. »Danke liebe Waldfee. Nun kann und sollte unser Vorhaben auch gelingen.« Er stöpselt den Korken ab und verteilt den geheimnisvollen Inhalt gleichmäßig auf der eingestrichenen Fläche. Der weißlich schimmernde Klebstoff verfärbt sich erst dunkelrot und dann leuchtend blau. Die Masse beginnt zu zischen und zu dampfen, so als würde sie anfangen zu sieden. Sachte lässt Morgel die Tanne auf dem Baumstumpf aufsetzen. Zwischen den Schnittflächen blitzt ein grünlicher Lichtstrahl auf. Er leuchtet umso mehr, je näher sich Stamm und Stumpf kommen. Zu guter Letzt streicht die Waldfee mit ihrem Zauberstab am Spalt entlang, welcher sich daraufhin komplett mit feinen Bläschen verschließt. So, als hätte es die Schnittwunde nie gegeben. Sekunden später setzt ein kraftvolles Rauschen ein. Es wird lauter und lauter. Die Lebenssäfte strömen aus den Wurzeln hoch in den Stamm. Alsbald erwacht die Tanne aus ihrem Tiefschlaf, bäumt sich auf und atmet so richtig tief durch. An ihren Zweigen bilden sich sogleich neue Triebe aus. Wo man hinschaut, sprießen grüne Nadeln aus ihrem Geäst. Die Risse in der Borke schließen sich zusehends und Albasol erstrahlt an Ort und Stelle so, als wäre sie nie fort gewesen. Mit einem lauten Knall und einer immensen Druckwelle breitet sich das grüne Licht im gesamten Wald aus. Von nun an ist auch der Zauberbann rund um die Wurzelhöhle wieder ungebrochen und der Schutz vor unerwünschten Eindringlingen geboten. Erst am nächsten Morgen bemerkt der Waldkobold, dass das Zauberbuch mit der Nummer vier spurlos aus seiner Koboldstube verschwunden ist. Wo kann es nur geblieben sein, fragt er sich. Wer hat das Buch entwendet und wozu? Ende! Ob Morgel sein Zauberbuch wiederfindet und wo dieses ominöse Drachenblut herkam, erfährst Du in einer der nächsten Geschichten, die sicher irgendwann einmal auch für Dich hier erzählt wird. Bleib voller Neugier! |
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Überarbeitung des Textes und Neugestaltung der Illustrationen am 03.08.2025.
„Morgel und die eitle Albasol“ entführt dich in einen verschneiten Winterwald am Komstkochsteich, wo die ehrwürdige Zaubertanne Albasol spurlos verschwindet. Morgel und seine Freunde nehmen die Spur auf und erleben dabei eine kindgerechte Krimihandlung voller Witz und Zauberei. Die Spannung steigt mit jeder Seite, während sich Schneeflocken auf den Krimskrams der verzauberten Bäume legen und das Herz vor Abenteuerlust höher schlägt.
Jens K. Carl verwebt eine herzerwärmende Botschaft über Zusammenhalt und Freundschaft mit stimmungsvollen, farbigen Aquarell-Illustrationen, die jede Szene in winterliches Licht tauchen. Kurz, spritzig und dabei voller Wärme – dieses Weihnachtsmärchen eignet sich perfekt für festliche Vorlesestunden und als Geschenk unter dem Christbaum.
„Morgel und die eitle Albasol“ ist der sechste Teil der Morgelgeschichten von Jens K. Carl. In diesem märchenhaften Werk entführt uns der Autor in den Thüringer Wald, wo Zaubertannen, Waldkobolde und jede Menge Abenteuer auf uns warten.
Die Handlung dreht sich um eine uralte Zaubertanne, die aus dem Morgelwald gestohlen wird. Die Bewohner des Waldes sind erschüttert über den Verlust. Doch warum wurde die Tanne entführt? Was steckt hinter diesem rätselhaften Diebstahl? Die Antwort liegt in der eitlen Albasol selbst, einer zauberhaften Figur, die mit ihrer Eitelkeit und ihrem Charme das Geschehen beeinflusst.
Es wird auch die Frage aufgeworfen, und darüber haben sicher schon viele sinniert, was ein Baum fühlt, wenn dieser als Weihnachtsbaum endet.
Der Schreibstil von Jens K. Carl ist zauberhaft und einfühlsam. Er verwebt die Natur mit der Magie und lässt den Wald lebendig werden. Die Beschreibungen der Zaubertanne und ihrer Umgebung sind bildreich und entführen den Leser in eine Welt voller Geheimnisse und Wunder.
Empfehlung: Für alle, die sich nach einem märchenhaften Abenteuer sehnen, das von Freundschaft, Verlust und der Kraft der Natur erzählt, ist „Morgel und die eitle Albasol“ eine wunderbare Lektüre. Tauche ein in die zauberhafte Welt des Thüringer Waldes und lass dich von dieser weihnachtlichen Morgelgeschichte verzaubern!
Bert G. P. Tönnies
Diese Morgelgeschichten sind wunderbar! Ich liebe es, meinem Enkelchen jeden Abend eine Geschichte vorzulesen. Es macht mich so glücklich! Sie sind so liebevoll und voller Fantasie geschrieben. Jede Morgelgeschichte enthält eine wertvolle Lektion und ermöglicht es so, über das Leben nachzudenken. Sie sind aufregend und fesselnd, mal bringen sie meinen Enkel und mich zum Lachen, mal kommen uns die Tränen und wir müssen weinen. Ich empfehle diese Morgelgeschichten jedem, der nach einem Weg sucht, seinen Kindern allabendlich eine fröhliche und lehrreiche Geschichte vorzulesen. Die Morgelgeschichten sind meine persönliche Lieblingslektüre geworden.
Aus dem Leben eines Weihnachtsbaumes.
Ein wunderbares, herzergreifendes Weihnachtsmärchen. Wer sich schon immer die Frage gestellt hat, wie sich ein Tannenbaum fühlt, wenn dieser als Weihnachtsbaum herhalten muss, kann hier die Antwort dazu finden. Von himmelhoch jauchzend bis zu Tode betrübt, ist alles dabei, was die Gefühlswelt, nicht nur die des Menschen, zu bieten hat. Die Morgelgeschichte ist spannend, wie auch lustig erzählt. Das Cover gefällt mir sehr gut. Die Sprache ist kindgerecht und einfach. Als Kulisse für den prächtigen Weihnachtsmarkt wurde vom Autor das, heutzutage leider verfallene, Barockschloss in Friedrichswerth, im Tal der Nesse gelegen, gewählt. Eine gute Wahl finde ich. Viel Spaß beim Lesen.